
Als sich der traurige Nachmittag für den Hamburger SV seinem Ende entgegen neigte, übernahmen die Leverkusener Fans auch noch den Job der norddeutschen Anhänger. Mitte März waren die Bayer-Anhänger in Sachen Champions League noch unterwegs in Madrid gewesen. Und nun winkten sie, in Anspielung auf eine spanische Sitte, mit weißen Taschentüchern – die eigentlich die Getreuen des HSV hätten schwenken sollen. Als Zeichen dafür, wie bedient sie vom 0:4 ihres Teams in der BayArena waren.
Doch anstatt mit Taschentüchern zu wedeln, brüllte die Gefolgschaft der akut abstiegsgefährdeten Hanseaten nach Spielschluss: „Wir haben die Schnauze voll.“ Die Einzigen, die sich die Anfeindungen aus den eigenen Reihen direkt bei den Fans am Gitterzaun anhören wollten, waren Valon Behrami und Lewis Holtby. Alle anderen Hamburger schlichen lieber ins Stadioninnere – dorthin, wo ihr neuer Chef über dem Erlebten eindeutig den Daumen senkte. „Zwei, drei nette Szenen waren dabei“, kommentierte Peter Knäbel die ausufernde Harmlosigkeit seiner Elf giftig und murrte: „Dass wir uns nicht mal mit der einen oder anderen Torchance belohnt haben, damit bin ich höchst unzufrieden.“
Umfassende Umbaumaßnahmen hatte sich der frische Bank-Vorsteher bei seinem ersten Einsatz als Bundesliga-Trainer erspart. Im Vergleich zum 0:1 gegen Hertha BSC 15 Tage zuvor, das Cheftrainer Joe Zinnbauer den Job kostete, rückte Heiko Westermann für den gesperrten Cleber von der linken Seite ins Abwehrzentrum. Und im defensiven Mittelfeld ersetzte Petr Jiracek den zuletzt indisponierten Rafael van der Vaart. Das war’s mit den Änderungen in einer Mannschaft, die dann auch auf dem Rasen nichts Neues zu bieten hatte.
Bei den biederen Offensivbemühungen der Gäste wurde rasch deutlich, warum es der HSV in dieser Saison nur auf sechs Auswärtstreffer gebracht hat. Nummer sieben lässt weiter auf sich warten, zudem ermöglichte das Knäbel-Team seinen Gastgebern bei eigenem Einwurf am Leverkusener Strafraum (!) die frühe Führung. Durch die forschen Rheinländer unter Druck gesetzt, fabrizierte Innenverteidiger Johan Djourou einen dürftigen Querpass auf Westermann, der bei seinem missratenen Rettungsversuch ebenfalls keine gute Figur machte. Der Ball landete bei Bayers Rennpferd Karim Bellarabi, der umgehend in Richtung HSV-Tor stürmte, im richtigen Moment auf den mitgelaufenen Gonzalo Castro passte, der die Überfallaktion mühelos vollendete.
„Bei Heiko Westermann hatten wir so eine Szene schon mal, bei Johan Djourou war das aber wahrscheinlich eine Premiere. Und es ist schon symbolhaft, dass unser stabilster Innenverteidiger diese Niederlage einleitet“, seufzte Knäbel – nachdem er gesehen hatte, dass Leverkusen auch nach dem Führungstreffer das wachsamere Team stellte. Und wenn die Elf von Roger Schmidt, vorrangig in der Defensive, mal etwas unkonzentriert war, konnten die Hamburger kein Kapital daraus schlagen.
Aufregende Momente gab es allein vor dem Tor von René Adler, der nach einer halben Stunde bei einem Bellarabi-Schuss einen höheren Rückstand verhinderte. Eine Minute später verpasste der Grieche Kyriakos Papadopoulos nach einem Castro-Freistoß per Kopf das 2:0 – Mittelstürmer Stefan Kießling holte das Versäumte eine Minute vor dem Pausenpfiff nach.
„Und so spielt ein Absteiger“ stellte das fachkundige Leverkusener Publikum schon um 16.06 Uhr erstmals fest, um 16.46 Uhr lautete der Refrain dann: „Hamburg, Hamburg, zweite Liga, oh ist das schön, euch nie mehr zu seh’n.“ Kurz vor und kurz nach dieser Gesangseinlage schraubten Kießling (56.) und Castro (63.) mit ihrem jeweils zweiten Tagestreffer (56.) das Resultat in für den HSV schmerzhafte Höhen.
Die Pein über die bemitleidenswerte Darbietung der Norddeutschen war auf den Mienen von Vorstandschef Dietmar Beiersdorfer und Sportdirektor Bernhard Peters, die nebeneinander auf der Tribüne saßen, deutlich abzulesen. „Wir hatten“, brachte Trainer Knäbel die trübe Stimmung beim HSV auf den Punkt, „einen ziemlichen Horrorstart in diese Partie“. Und weiter: „So wie wir danach gespielt haben, hätte die Niederlage auch noch ein, zwei Tore höher ausfallen können.“
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