
Lutz Detring sitzt in seinem Büro und schüttelt den Kopf. Immer wieder. Wie soll das nur werden mit dem Nachwuchs, fragt der 59-Jährige, wie soll das nur werden mit den Fachkräften. Detring ist Dachdeckermeister, er leitet die Firma Friedrich Schmidt, hat 150 Mitarbeiter. Er kann sich für seinen Beruf begeistern, natürlich, sonst säße er nicht hier. Nur: Den Nachwuchs heiß zu machen auf eine Ausbildung im Handwerk – das sei eine Herausforderung. Ein Kampf, bei dem er sich und seine Kollegen aus dem Handwerk größtenteils alleingelassen fühlen.
Aber Detring ist Handwerker. Und wie sich das für einen von seinem Schlag gehört, packt er die Dinge selbst an. Hat sich mit vier anderen Dachdeckern zusammengeschlossen, 2013 war das, und schrieb die Schulen in der Region an. Acht an der Zahl waren es, allen bot er an, vorbeizukommen, für seinen Beruf zu werben, Praktika anzubieten, Ausbildungsinhalte zu präsentieren. „Ich will zeigen, dass wir mehr machen als nur auf Dächern rumklettern“, sagt Detring, lächelt jetzt. Dann sacken seine Schultern nach unten, und er lässt sich zurückfallen in seinen Drehstuhl. Am Ende haben sich nur zwei Schulen überhaupt zurückgemeldet. „Was willste da machen?“, fragt er und antwortet selbst. „Da kannste nix machen.“
Seit ein paar Jahren ist das beim Handwerk Dauerthema: Fachkräfte fehlen, Lehrstellen bleiben unbesetzt, die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge geht zurück. 2009 war das erste Jahr, in dem es mehr Studierende als Auszubildende gab, seitdem hält der Trend an. „Das wird den Schülern ja nahezu eingetrichtert“, sagt Thomas Fuchs, Sprecher der Handwerkskammer Bremen. Von Lehrern und auch von Eltern. „Nach dem Motto: Hauptsache Abitur und Studium.“
Lutz Detring kennt das von seinen Schulbesuchen. „Glauben Sie, da ist einer dabei, der eine Ausbildung zum Ziel hat? Kein Einziger.“ Er meint, dass das auch damit zusammenhänge, dass Lehrer kaum Bezug zum Handwerk und zur Ausbildung haben. „Wie sollen die auch etwas schmackhaft verkaufen, das sie selber nicht kennen“, sagt der 59-Jährige. Bei den Schülern herrsche oftmals ein völlig falsches Bild von Handwerksberufen vor – auch mit Blick auf die Bezahlung. „Mancher Handwerkermeister verdient mehr als ein Akademiker.“ Natürlich gebe es auch Fälle, in denen es anders aussieht. „Aber überhaupt über die Vorteile des Handwerks zu sprechen, scheint vielerorts schwierig zu sein“, sagt Fuchs. Vor allem in der Schule. „Zum Beispiel wird der Werkunterricht zusammengestrichen. Wie sollen die Schüler dann mit dem Handwerk in Kontakt kommen, wenn sie selbst nie handwerklich tätig werden?“
Tatsächlich gibt es seit dem Wintersemester 2011/2012 keinen Lehramtsstudiengang mit Fachrichtung „Werken“ – beziehungsweise „zu dem Zeitpunkt wurde gerade auf das neue Schulsystem umgestellt, und einige Fachgebiete zusammengestrichen“, begründet Kay Wenzel von der Uni Bremen die Entscheidung. Allerdings sei die Arbeitsorientierung eine „wichtige Kompetenz, für die eine Lösung gesucht wird“, betont der Leiter des Referats Lehre und Studium. „Bis Ende des Jahres soll ein Konzept erarbeitet werden, in dem wir eine zeitgemäße Form als Ersatz vorstellen wollen.“ Denkbar sei beispielsweise eine Integration in andere Lehramtsstudiengänge, bei denen das Handwerk als Teil der Berufsorientierung vorkommt und auch wirtschaftliche Prozesse erklärt werden sollen.
Um schon jetzt noch stärker in den Schulen vertreten zu sein, hat die Handwerkskammer mit dem Programm „Passgenaue Vermittlung“ ein Format geschaffen, bei dem zwei Berater an den Schulen unterwegs sind. Dabei klären sie Schüler genau darüber auf, was den jeweiligen Handwerksberuf ausmacht. „Die Lehrer sind dankbar für unsere Arbeit“, sagt Elena Komar, Diplom-Sozialwirtin und Personalmanagerin. „Wir gehen viele Schritte auf die Schulen zu – und in der Regel wird das gut angenommen.“
Auch Annette Kemp, Sprecherin der Bildungsbehörde, betont, dass Schulen in den meisten Fällen gerne und gut mit dem Handwerk zusammenarbeiten. „Seit Jahren gibt es verschiedene Messen und Kooperationen“, sagt sie. „Die Entwicklung ist kontinuierlich.“ In Zusammenarbeit mit dem Verein „Job4u“ habe man zudem jetzt beschlossen, die Berufsorientierungsmessen in ihrer zentralen Form aufzulösen und durch regionale Formate zu ersetzen, um die Schüler besser zu erreichen.
Monica Jungclaus, Hauptgeschäftsführerin der Handwerkskammer, reichen Messen im klassischen Sinn allein nicht. „Um junge Menschen für eine Ausbildung im Handwerk zu begeistern, müssen wir viel stärker als bisher die Vielfalt, die technologischen Herausforderungen, die Innovationen und die Karrierechancen kommunizieren“, sagt sie. Das Marketing müsse besser auf die Zielgruppe zugeschnitten werden. Deshalb findet am Sonnabend auch zum ersten Mal eine „Handwerksshow“ im Einkaufszentrum Weserpark statt. Dort präsentieren sich Handwerksbetriebe nicht mehr „nur im statischen Messeformat“. „Information und Entertainment ist die Devise“, sagt Jungclaus.
Auch Lutz Detring wird dabei sein. Er lässt einen Kran vorfahren, mit dem die Besucher in 40 Meter Höhe gezogen werden und dann auf die Dächer der Umgebung schauen können. „Das ist doch das Schöne am Dachdecker-Dasein: Man hat am Bild der eigenen Stadt mitgearbeitet“, sagt der Firmenchef, der selbst schon für das Dach des Schüttings und anderer Gebäude zuständig war. „Und das ist auch das Schöne am Handwerk: Du schaffst etwas mit deinen eigenen Händen.“ Dies mit all seinen Reizen zu kommunizieren, habe man im Handwerk lange Zeit verschwitzt.
Er werde weiter für sein Gewerk werben, auch an den Schulen. Einen Erfolg kann Detring bereits verzeichnen: In diesem Jahr habe er zum ersten Mal sechs anstatt vier Auszubildende eingestellt.
◼ Die Firma Friedrich Schmidt Dachdecker und weitere Betriebe stellen anlässlich des „Tag des Handwerks“ an diesem Sonnabend im Weserpark aus. Von 10 bis 20 Uhr gibt es bei der „Handwerksshow“ einen Einblick in die verschiedenen Gewerke und ein Bühnenprogramm: Hier stehen unter anderem ein Infrarot-Kamera-Shooting mit den Schornsteinfegern, ein Wett-Mauern, eine „Hobel-Performance“ der Tischler und zahlreiche live vorgeführte Handwerksarbeiten von Friseuren, Zimmerern, Straßenpflasterern und anderen auf der Tagesordnung. Weitere Infos unter www.die-handwerksshow.de.
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