
Drei Viertel der Gewerkschaftsmitglieder müssen in der Urabstimmung dafür sein. Politische Streiks gibt es in Deutschland nicht. Es darf nur gestreikt werden, um Tarifforderungen durchzusetzen.
Auch im internationalen Vergleich wird in Deutschland wenig gestreikt. Seit 2005 fielen im Jahresdurchschnitt pro 1000 Beschäftigte 16 Arbeitstage durch Arbeits-kämpfe aus. In Frankreich sind es 139 Arbeitskampftage, in Dänemark 135. Es wird also nicht viel gestreikt, es fühlt sich jedoch so an. Aber warum? Kurz gesagt: Weil wir die Konflikte stärker spüren als früher, sogar direkt davon betroffen sind. Wenn kaum noch Züge rollen, Geburtstagskarten nicht ankommen und Kinder zuhause bleiben müssen, trifft es fast jeden.
Zudem haben die kleineren Konflikte zugenommen. Wenngleich dies nicht bedeutet, dass mehr Beschäftigte streiken oder mehr Arbeitstage ausfallen. Eine Erklärung dafür ist, dass sich die Tariflandschaft zunehmend zersplittert darstellt. Es gibt weniger Flächentarife, die einmal ausgehandelt werden und dann für Hunderttausende Beschäftigte gelten. Stattdessen wird im Kleinen gekämpft. Spartengewerkschaften, die lediglich Interessen einzelner Berufsgruppen vertreten, versuchen sich gegenüber den großen Gewerkschaften zu zeigen.
Auch die Streitigkeiten haben sich verändert. Standen früher ausschließlich Lohnerhöhungen im Fokus, geht es heute auch um neue Themen, wie die Aufwertung von Berufen, Bildungszeit oder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Zudem besteht aufgrund der Lohnzurückhaltung vergangener Jahre definitiv Nachholbedarf, wenn es um die Erhöhung von Löhnen geht. Nicht zuletzt, um die Binnennachfrage zu stärken.
Keinesfalls ist es hinnehmbar, dass Beschäftigte die Opfer von leeren Kassen der öffentlichen Arbeitgeber werden. Und es ist legitim, dass Arbeitnehmer ihre Streiks verlängern, wenn ihnen jemand gegenübersitzt, der wahlweise nicht verhandlungswillig ist oder – in Zeiten der Globalisierung – auf eine Direktive aus dem Ausland wartet. Schließlich sind es noch immer die Beschäftigten, welche die Werte in unserer Gesellschaft schaffen.
Ja – Tarifpolitik ist in der Tat härter geworden. Und dennoch: Trotz steigender Streiktendenz in diesem Jahr wird in Deutschland im internationalen Vergleich wenig gestreikt. Angesichts der Zahlen ist die „Streikrepublik Deutschland“ wohl eher ein Märchen. politik@weser-kurier.de
Zur Person
Annette Düring studierte – nach einer Ausbildung zur Erzieherin – Diplom-Pädagogik in Bremen. Seit 2009 ist Düring Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes in der Region Bremen-Elbe-Weser.
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