
“ Tags zuvor waren sechs Autostunden weiter südlich, am serbisch-mazedonischen Übergang bei Presevo, erstmals Zettel aufgetaucht, die eine Ausweichroute unter Umgehung des abgesperrten Ungarn empfahlen. Am späten Dienstagabend dann wechselten die Busse ihre Richtungsschilder: Statt „Presevo-Hungary“ steht jetzt „Presevo-Croatia“ darauf. Seither hat Kroatien Ungarn als neues Transitland auf der Balkanroute abgelöst.
Alles war gut vorbereitet. Private und von der serbischen Regierung gecharterte Autobusse bringen eintreffende Flüchtlinge nach ihrer Registrierung nach Sid an der nordwestlichen Grenze zu Kroatien. Von Sid aus führt ein kurzer Fußweg an die Grenzlinie; gleich dahinter wartet das Erstaufnahmezentrum Tovarnik auf die Ankommenden. Für Mittwoch war man dort auf bis zu 3000 Menschen vorbereitet. Überrascht gewesen sei man nur von dem hohen Anteil an Frauen und Kindern, sagte ein Katastrophenschutzmann.
In Kroatien war der Zustrom seit Wochen erwartet worden – und wurde jetzt entsprechend gelassen registriert. 3200 Übernachtungsplätze in verschiedenen Orten stehen bereit, Feldbetten, Toilettenhäuschen, Ambulanzstationen – und offenbar auch ausreichend Transportkapazitäten für die Weiterreise nach Zagreb und Slowenien. Innenminister Ranko Ostojic sprach von einem „genauen Plan“, allerdings ohne Details zu verraten. Man sei in ständigem Kontakt mit den Behörden in Serbien, Slowenien und Österreich, hieß es lediglich.
In den vergangenen Tagen hat das Zagreber Innenministerium nicht weniger als 6000 Polizisten an die serbische Grenze verlegt. Sie sollen verhindern, dass Flüchtlinge ungeordnet über die grüne Grenze kommen. Zur Abschreckung wird immer wieder auf die vielen Minen hingewiesen, die seit dem Krieg in den Neunzigerjahren noch hier im Grenzgebiet liegen. Von 64 000 versteckten Sprengfallen wurden bisher nur 13 000 gefunden; 200 Menschen kamen seit Kriegsende durch Minen ums Leben. An der Einreise hindern will Zagreb die Flüchtlinge nicht – der Übertritt soll nur geordnet erfolgen. „Keine Mauer, kein Stacheldraht, kein Minenfeld kann solche Wellen aufhalten“, sagte Minister Ostojic.
Schon vor Wochen hatte Premier Zoran Milanovic klargemacht, dass sein Land nicht dem ungarischen Beispiel folgen und etwa die Grenze schließen will. Die Stimmung gegenüber den Flüchtlingen ist, ähnlich wie in Serbien, freundlich. In der Stadt Sisak wurde ein Bus mit Familien von freiwilligen Helfern mit Spenden begrüßt. Auch die Oppositionspartei HDZ, die ansonsten ganz auf nationale Themen setzt, äußerte im beginnenden Vorwahlkampf nur vorsichtig Besorgnis und warnte vor „Sicherheitsproblemen“. Immer wieder taucht der Hinweis auf, während des Krieges in den Neunzigerjahren hätten 47 000 Kroaten im Ausland Zuflucht gefunden.
In Belgrad kursierten am Mittwoch unter Flüchtlingen kopierte Fahrpläne für Zugverbindungen bis nach Jesenice an der slowenisch-österreichischen Grenze – ein Hinweis darauf, wie die Reise weitergehen soll. Regierung und Medien gehen davon aus, dass Kroatien so gut wie ausschließlich für den Transit genützt wird. Zwar müsste das Land als Unterzeichnerstaat des Dublin-Abkommens theoretisch die Asylanträge aller Ankommenden bearbeiten und auch Menschen aufnehmen, die aus Deutschland oder Österreich zurückgeschickt werden. Das gilt angesichts der hohen Zahlen aber nicht als realistisch. Kroatien hat sich zwar gegenüber der EU-Kommission bereit erklärt, 747 Syrer und Eritreer dauerhaft aufzunehmen, und nach dem jüngsten Vorschlag aus Brüssel sollen insgesamt 1064 Flüchtlinge nach Kroatien kommen. Das Land verfügt aber über keinerlei Erfahrung mit der Integration von Ausländern, die Verwaltung ist langsam.
Obwohl Slowenien jetzt damit rechnen muss, das nächste Durchzugsland zu werden, ist die Flüchtlingswelle dort noch kein großes Thema. „Sollten plötzlich sehr viele Flüchtlinge kommen“, so ein Sprecher des Innenministeriums, „sind wir auf die Unterbringung mehrerer Tausend Menschen vorbereitet.“ Die Kapazitäten wüchsen täglich, man sei aber auf die Solidarität der Kommunen und der Bürger angewiesen. Am Mittwoch war von der Welle noch nichts zu spüren. Die bisher stärkste Gruppe, die aufgegriffen wurde, bestand aus 21 Iranern und Afghanen sowie einem rumänischen Schlepper, der verhaftet wurde. Der Versuch, die Flüchtlinge nach Ungarn zurückzuschicken, sei gescheitert, sagte ein Polizeisprecher. Die Ungarn hätten Beweise gefordert, dass die Menschen tatsächlich von dort gekommen seien.
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