
Am Entwurf zur sogenannten Sammelverordnung über Natur- und Landschaftsschutzgebiete im Bereich Hammeniederung und Teufelsmoor gibt es seit Wochen Kritik von allen Seiten. Naturschutzvertretern gehen die geplanten Regelungen für die zu schützenden Flächen zwischen Ritterhude und Viehspecken sowie Worpswede und Osterholz-Scharmbeck nicht weit genug. Landwirte fürchten dagegen Eingriffe durch den Naturschutz und fordern Planungssicherheit. Die Stadt Osterholz-Scharmbeck hat in einer Stellungnahme die Herausnahme der Ortschaft Teufelsmoor aus der Verordnung gefordert.
Bei einer Info-Veranstaltung des Landkreises zum Entwurf der Sammelverordnung hatte Johannes Kleine-Büning, Leiter der Unteren Naturschutzbehörde, eingeräumt, dass einige Landwirte massiv von dem Regelwerk betroffen seien. Deshalb sei die Verwaltung in der überarbeiteten Fassung des Entwurfs zur Verordnung, „der Landwirtschaft auch einen gewaltigen Schritt entgegengekommen“.
Grob vereinfacht geht es in den Plänen darum, dass auf Drängen der EU bis 2018 zwischen der Ritterhuder Schleuse und der Teufelsmoorstraße 2853 Hektar und zwischen Teufelsmoorstraße und Viehspecken 2048 Hektar zu Naturschutzflächen erklärt werden. Beide Bereiche werden von weiteren 4756 Hektar weniger streng geschützten Landschaftsschutzgebieten umgeben.
Dazu kommt das 46 Hektar große Landschaftsschutzgebiet für die Beekniederung. All diese Flächen liegen bereits heute teilweise im Vogelschutz- und Flora-Fauna-Habitat-Gebiet der EU, sind Teil des Naturschutzprojektes GR-Gebiet oder finden sich mit ihrem Landschaftsbild und Erholungswert in der „Vision Teufelsmoor“ wieder. Nun soll für alle eine Sammelverordnung auf den Weg gebracht werden. In zwei Schritten. Die Satzung für die erste Tranche aus weniger umstrittenen Flächen könnte im Juni vom Kreistag verabschiedet werden. Für die zweite Tranche werden derzeit Gespräche mit den betroffenen Landwirten geführt.
In den Regelungen für die die Naturschutzflächen umschließenden Landschaftsschutzgebiete gibt es laut Kleine-Brüning zwei Punkte, in denen die Satzung „scharf“ sei. „Es darf kein Grünland mehr auf Moorböden, Überschwemmungsgebieten und auf Flächen mit hohem Grundwasserstand zu Ackerland umgebrochen werden, und es darf kein Torf mehr abgebaut werden.“ Den Naturschützern reicht das jedoch nicht. Ihnen bereiten insbesondere die Vorgaben für das Landschaftsschutzgebiet Hammeniederung Bauchschmerzen. Die sie betreffenden Regelungen würden ihr eigentliches „Schutzziel“ verfehlen. Hauptkritik: Im Landschaftsschutzgebiet wird es weiter möglich sein, an trockenen Standorten Grünland zu Acker umzubrechen. Außerdem dürfen Wiesen auf allen Böden – auch auf moorigen – mithilfe von Totalherbiziden regelmäßig gespritzt und gefräst werden, damit anschließend Hochleistungsgras als Kraftfutter für das Vieh gesät werden kann.
Außerdem üben die Naturschützer Kritik daran, dass die Satzung für die Landschaftsschutzgebietsflächen keine Vorgaben zu Mahd- und Vieh-Auftrieb-Terminen sowie Düngezeiten gibt. Die einzig vorgesehene Maßgabe ist: Die Wiesen dürfen nur von außen nach innen gemäht werden, wobei im Zentrum eine Fluchtinsel für die Jungvögel und das Niederwild von 50 mal 50 Metern stehen bleiben muss. Aus Sicht der Naturschützer ist das eine absurde Regelung – da die Wiesen bereits bearbeitet würden, wenn die Nester gerade angelegt und die Küken noch nicht geschlüpft seien und daher nicht flüchten könnten.
In einer Infoveranstaltung machten die Naturschützer indes auch deutlich, dass ihnen klar sei, dass es die Landwirte Geld kosten würde, solche Aspekte zu berücksichtigen und zum Schutz der Vögel keine Neuaussaat und keine Mahd vor Juli vorzunehmen. Tatsächlich gebe es für solche Fälle Erschwerniszulagen. Aber die würden nur für Flächen in Naturschutz- und nicht in Landschaftsschutzgebieten gezahlt. Deshalb fordern die Naturschützer, aus den Landschaftsschutzgebieten gleich Naturschutzgebiete zu machen. Zum Vorteil der Tiere – und der Landwirte –, argumentieren die Naturschützer.
Landwirte sind wütend
Der Landvolkvorsitzende Stephan Warnken ist anderer Meinung. Er weiß: Viele seiner Kollegen haben eine enorme Wut im Bauch wegen der zusätzlichen naturschutzrechtlichen Einschränkungen, die der Landkreis für das gesamtstaatlich repräsentative Naturschutzgroßprojekt (GR-Gebiet) Hammeniederung in Kraft setzen will und muss. Vielen Landwirten sei nicht plausibel, weshalb derart umfangreiche Naturschutzgebiets-Ausweisungen und die entsprechenden Einschränkungen für die Bewirtschaftung und Nutzung der Flächen überhaupt notwendig seien. Um die Anforderungen für die von Europa eingeforderten Flora-Fauna-Habitat-Flächen zu erfüllen, reichten Flächen im Landschaftsschutz aus, meint der Chef des Landvolkverbandes. Die geplante Verschärfung der naturschutzrechtlichen Rahmenbedingungen im Teufelsmoor treffe die Milchbauern zudem in einer Zeit der wirtschaftlichen Krise. Er meint damit den Wegfall staatlicher Subventionen und den Verfall der Milchpreise.
Betroffen sind auch die Brüder Johann und Raimund Lütjen. Sie betreiben einen Biohof in der Gemeinde Vollersode. Mit 70 Kühen produzieren sie Milch und erzielen einen Jahresumsatz von 300 000 Euro. Und: „Über 90 Prozent unserer Flächen liegen im geplanten Schutzgebiet Teufelsmoor“, sagt Johann Lütjen. Im Prinzip haben die Lütjens nichts gegen Naturschutz, sagen sie, ganz im Gegenteil: „Wir sind bereit, Einschränkungen für den Naturschutz in Kauf zu nehmen.“ Was sie aber an der geplanten Sammelverordnung zum Natur- und Landschaftsschutz in der Hammeniederung und im Teufelsmoor kritisieren, ist: „Der Landkreis hat jederzeit das Recht, weitere Flächen unter Schutz zu stellen, oder die Schutzmaßnahmen zu erhöhen.“
Diese Ungewissheit sehen die Lütjens als existenzbedrohend an: „Wir stellen Investitionen erst einmal zurück.“ Dabei sei doch klar, dass der Betrieb in 30 Jahren dichtgemacht werden müsse, wenn man jetzt nichts in ihn hineinstecke. „Mir fehlt das klare Bekenntnis des Landkreises zur Landwirtschaft“, sagt Johann Lütjen.
Ganz ähnlich geht es Jürgen Tienken. Er hält in Freißenbüttel 200 Kühe, viele seiner Futterflächen liegen aber im Teufelsmoor. Wenn die Sammelverordnung so beschlossen würde, wie sie aktuell zur Debatte steht, lägen viele seiner Flächen im Naturschutzgebiet. „Von unseren Flächen sind 60 Prozent Grünland und davon liegt die Hälfte im geplanten Naturschutzpark Teufelsmoor“, sagt Tienken.
Was ihn besonders ärgert: „Vor drei Jahren habe ich dort unten Flächen gekauft, die dann im Naturschutzgebiet liegen würden.“ Dadurch erleide er einen Wertverlust von „weit über 50 Prozent“. Schließlich kaufe niemand Flächen, die unter Naturschutz stehen.
Bisher sei Tienken mit den Auflagen im Landschaftsschutzgebiet gut klargekommen. Beispielsweise dürfe man auf einigen Flächen erst ab einem bestimmten Datum mähen, weil vorher Kraniche dort brüten. Darauf könnte er sich einstellen. „Doch jetzt kann der Landkreis über eine Klausel in der Sammelverordnung die Vorgaben jederzeit ändern.“ Diese Ungewissheit sei für ihn unkalkulierbar.
Die Stadt Osterholz-Scharmbeck hat inzwischen in ihrer Stellungnahme zur Sammelverordnung gefordert, dass die Ortschaft Teufelsmoor aus dem Landschaftsschutz rausgenommen wird. In nicht öffentlicher Sitzung hatten sich die Mitglieder des Verwaltungsausschusses der Stadt „mit sehr großer Mehrheit“ darauf geeinigt. Der Grund: „Der Rat will sich eine eigene Handlungsgrundlage vorbehalten“, erläuterte Stadtbaurat Sven Uhrhan. Losgelöst von Vorgaben durch ein Landschaftsschutzgebiet will die Stadt auf eigene Planungsinstrumente zurückgreifen können. Selbstbestimmt und ohne Einschränkungen – abgesehen von denen, die die Lage im Außenbereich bereits bedingt. Die Vorgaben, die der Landkreis den Landwirten im Landschaftsschutzgebiet machen wolle, gehe in ihrer Feinsteuerung zu weit und zu tief. „Sie behindert die Arbeit der Landwirte zu stark“, so Uhrhan.
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