
Die geplante Übernahme von 451 Kaiser‘s Tengelmann-Supermärkten durch den größten deutschen Lebensmittelhändler Edeka wurde in dieser Woche vom Bundeskartellamt gestoppt.
Doch der geplante Ausstieg aus dem Lebensmittelhandel ist für Karl-Erivan Haub ohnehin nur ein Zwischenschritt beim Umbau des Familienunternehmens. Der Chef der Handelsgruppe Tengelmann – zu der auch Deutschlands größter Textil-Discounter Kik und der Baumarkt-Marktführer Obi gehören – macht das Traditionsunternehmen zu einem Vorreiter im E-Commerce.
Wenn Karl-Erivan Haub über den Siegeszug des Online-Handels redet, ist ihm seine Begeisterung anzumerken. „Was wir erleben, ist eine schöpferische Zerstörung. Eine Revolution“, sagte der 55-Jährige erst vor wenigen Wochen. „Entweder man lehnt sie ab und wird abgehängt, oder man umarmt sie.“
Haub will sich nicht abhängen lassen. Für ihn hat deshalb das Thema E-Commerce Priorität. Aus dem Lebensmittelhandel, in dem die Familie seit mehr als 120 Jahren tätig ist, will er dagegen aussteigen und die seit Jahren rote Zahlen schreibenden 451 Kaiser‘s Tengelmann-Filialen an Edeka verkaufen. Dass das Kartellamt sich diesen Plänen jetzt in den Weg stellt, ist für den Unternehmer ein Ärgernis. Doch blickt man auf seine Arbeit in den letzten Jahren, dürfte es ihn kaum bremsen.
Seitdem der frühere McKinsey-Berater 2010 die Leitung der familieneigenen Firmengruppe übernommen hat, drückte er der Handelsgruppe seinen Stempel auf. Damals steckte der einst größte deutsche Lebensmittel-Filialist in der Krise. Allzu lange hatte der Firmenpatriarch Erivan Haub gezögert, im von ihm geschaffenen Firmenkonglomerat aufzuräumen. Der Sohn Karl-Erivan Haub hatte weniger Hemmungen. Er trennte sich von der im Branchenvergleich zu kleinen Drogeriemarkt-Kette kd und vom Schokoladen-Hersteller Wissoll, verkleinerte das Supermarktnetz drastisch und verkaufte den Discounter Plus.
Der Tengelmann-Chef setzte früher und konsequenter als die meisten anderen Handelskonzerne auf E-Commerce. Tengelmann sieht sich heute selbst als einen der führenden Wagniskapitalgeber in Deutschland. Praktisch von Anfang an war Tengelmann beim Online-Modeanbieter Zalando dabei. Zum Portfolio gehören auch die Beteiligungen am Online-Anbieter für Baby- und Kleinkinderartikel Baby-Markt.de, am Lieferdienst Delivery Hero oder am Wohnaccessoires-Anbieter Westwing.
Von einem Beirat des Unternehmens sei er anfangs gewarnt worden: „Sie gehen ins Spielcasino“, erzählt Haub von den Widerständen gegen seinen Kurs. Auch sein Vater habe nichts mit der modernen Technik am Hut. Rückendeckung habe er jedoch von seiner Mutter Helga Haub erhalten. Die über 80-jährige Grande Dame des Unternehmens outete sich selbst auf einer E-Commerce-Veranstaltung von Tengelmann kürzlich als glühende Anhängerin der Online-Revolution: „Für mich ist das wie die Erfindung des Buchdrucks. Es wird die Welt restlos verändern. Schade, dass ich das wohl nicht mehr alles erleben kann“, meinte sie.
Dass das Bundeskartellamt den Verkauf der Supermärkte untersagen könnte, hat Konzernchef Haub wohl schon befürchtet. Und so versuchte er das Problem bereits bei der Bekanntgabe der Verkaufspläne herunterzuspielen. Die Kaiser‘s-Tengelmann-Filialen kämen ja zusammen nur auf einen Marktanteil von gerade einmal 0,6 Prozent, rechnete er damals vor. „Das macht den Kohl nicht fett.“
Doch die Wettbewerbshüter überzeugte diese Argumentation nicht. Denn Kaiser‘s Tengelmann ist zwar deutlich kleiner als die „großen vier“ – Edeka, Rewe, Lidl und Aldi –, aber eben auch der größte verbliebene Wettbewerber außerhalb dieser Spitzengruppe. Außerdem geht Haubs Verweis auf den Marktanteil nach Auffassung der Behörde am Kernproblem vorbei. In vielen Stadtteilen Berlins, Münchens oder Düsseldorfs sei Kaiser‘s Tengelmann der stärkste Wettbewerber der Platzhirsche, so Kartellamtspräsident Andreas Mundt.
Mit dem Verkauf der Kaiser’s-Tengelmann-Supermärkte wollte sich Haub eigentlich endgültig vom stationären Lebensmittelhandel in Deutschland verabschieden. Es wäre ein Schlussstrich gewesen unter einem wichtigen Kapitel der Familiengeschichte. Ein Schlussstrich, der ihm selbst schwergefallen sei, wie Haub sagt. Der dem 55-Jährigen aber wohl noch mehr Zeit gegeben hätte, sich auf das zukunftsträchtigere Internet-Geschäft zu konzentrieren.
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