
Für die einen ist er damit ein Held, für andere ein unverantwortlicher Provokateur.
Herrou ist zu einem Symbol geworden für Franzosen, die von ihrem Land mehr Solidarität mit Flüchtlingen wollen. Medien nennen ihn „den Robin Hood der Migranten“, die Zeitung „Libération“ schreibt vom „Prozess um eine Geste der Humanität“.
Ein Gericht in Nizza verhängte in dem viel beachteten Prozess nun eine Geldstrafe von 3000 Euro auf Bewährung gegen Cédric Herrou, weil er Migranten über die Grenze nach Frankreich gebracht hatte. Damit entschieden sich die Richter für ein mildes Urteil; einen Teil der Vorwürfe ließen sie fallen. Die Staatsanwaltschaft hatte acht Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung gefordert.
Herrous Verteidiger Zia Oloumi sprach von einem „gerechten und ausgewogenen Urteil“. Das Gericht habe verstanden, dass Herrou allein aus humanitären Beweggründen gehandelt habe. Das aktuelle Recht erlaube es aber nicht, Menschen nach Frankreich zu bringen, ohne Informationen über ihren Aufenthaltsstatus zu haben.
Herrou forderte die französische Politik auf, sich ihrer Verantwortung zu stellen und die Migranten „würdevoll aufzunehmen“. Er argumentiert, dass Ehrenamtliche in der Region sich um die Menschen kümmerten und damit Versäumnisse des Staats kompensierten.
Erste Festnahme im August
Der hagere Landwirt Herrou hat sich in der 2500-Einwohner-Gemeinde Breil-sur-Roya nordöstlich von Nizza eine einfache Existenz aufgebaut, er kultiviert Oliven und verkauft Bio-Eier. Doch die Lage an der Grenze zu Italien hat das Roya-Tal zu einem der Schauplätze der Flüchtlingskrise gemacht. In der Region versuchen Migranten, die über das Mittelmeer nach Italien gelangt sind, nach Frankreich zu kommen.
Die französische Polizei soll das verhindern. Ständig greifen Beamte Menschen ohne Aufenthaltspapiere auf und schicken sie zurück. Amnesty International schätzt, dass im Grenzbezirk Alpes-Maritimes 2016 mindestens 30 000-mal die Einreise verweigert wurde.
„Kinder laufen durch die Nacht“, beklagt Herrou im Telefonat mit der Deutschen Presse-Agentur. „Menschen sterben am Straßenrand.“ Eines Tages begann er, Migranten in seinem Wagen mitzunehmen und bei sich unterzubringen. „Meine Untätigkeit und mein Schweigen würden mich zu einem Komplizen machen“, sagte er in einem Fernsehinterview.
Oft kommen die Migranten im Schutz der Dunkelheit an. „Das läuft ein bisschen wie eine Jugendherberge“, erzählt Herrou. In zwei Wohnwagen und einigen Zelten neben Olivenbäumen können sie sich etwas erholen, die meisten bleiben zwischen einer Woche und eineinhalb Monaten.
Im August 2016 wurde Herrou zum ersten Mal festgenommen, mit acht Menschen aus Eritrea im Auto – das Verfahren wurde eingestellt. Als im Herbst 60 Menschen auf seinem Grundstück hausten, eröffnete er mit mehreren Organisationen ein provisorisches Aufnahmezentrum in der Nähe. Nach wenigen Tagen kam die Polizei: Die Staatsanwaltschaft beschuldigt Herrou nun unter einem Gesetz, das Hilfe zu „illegaler Einreise, Verkehr oder Aufenthalt“ unter Strafe stellt.
Frankreichs widersprüchliche Haltung
Der einflussreiche Regionalpolitiker Eric Ciotti warf Herrou eine „falsche Großzügigkeit“ vor, sein Handeln gleicht für ihn einem organisierten Schleuserring. „Mit seinen Taten verfolgt Monsieur Herrou kein anderes Ziel, als die Autorität des Staates zu provozieren und herauszufordern“, schrieb der Sicherheits-Hardliner der französischen Konservativen.
Herrou hält dagegen, dass der Staat seiner Verantwortung nicht nachkomme. Er wirft den Behörden vor, dass sie auch alleinreisende Minderjährige zurück nach Italien schickten – obwohl diese eigentlich von ihnen untergebracht werden müssten.
Auch Amnesty International kritisiert das Vorgehen der Polizei an der Grenze. Kürzlich stellte die Organisation Ergebnisse einer Beobachtermission vor: „Die Behörden (...) achten die Rechte der Personen, die sie an der Grenze kontrollieren, nicht. Meistens wird ohne Formalien die Rückführung organisiert“, heißt es darin.
Die Diskussion um Herrous Prozess veranschaulicht damit die widersprüchliche Haltung Frankreichs in der Flüchtlingskrise. Auf der einen Seite sieht das Land sich als Vaterland der Menschenrechte und hält offiziell das Asylrecht hoch. Angesichts einer hohen Arbeitslosigkeit, der Furcht vor dem Einsickern von Terroristen und vor dem Hintergrund der Erfolge der Rechtspopulistin Marine Le Pen tut es sich aber schwer mit der Aufnahme von Flüchtlingen. Aus Herrous Sicht hat der Medientrubel um den Prozess bereits geholfen, die Situation an der Grenze stärker zum Thema zu machen.
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