
Hürden gibt es zuhauf. Gentiloni muss einen schwierigen Kompromiss für ein neues Wahlrecht finden und möglicherweise die Verstaatlichung der Krisenbank Monte dei Paschi einleiten. Auf dem Bau würde man sagen: Er muss die Drecksarbeit machen.
Diesen Aufgaben waren bisherige Regierungen entweder nicht gewachsen oder sie ließen die Lösung der Probleme absichtlich schleifen. Der bisherige Umgang mit der toskanischen Krisenbank Monte dei Paschi aus Siena war verantwortungslos. Bis zum Jahresende muss der Bank eine Kapitalerhöhung in Höhe von fünf Milliarden Euro gelingen, wenn sie nicht pleite gehen und andere Großbanken mit in die Krise ziehen soll. Mehrere Regierungen vor Gentiloni drückten sich um die unangenehme Aufgabe der teilweisen Verstaatlichung der Bank. Nach den neuen EU-Richtlinien werden die Gläubiger im Falle der drohenden Insolvenz beteiligt. Monte dei Paschi hat fünf Millionen Kunden, die kein Regierungschef zum Feind haben möchte. Der neue Ministerpräsident kann sich schon jetzt auf den Unmut der Bankkunden gefasst machen.
Die zweite große Altlast, der Gentiloni ausgeliefert sein wird, ist die Reform des Wahlrechts. An ihrer Unfähigkeit, die demokratischen Spielregeln gemeinsam und unwiderruflich zu gestalten, zeigt sich seit Jahren die ganze Begrenztheit der italienischen Politik. 2005 verabschiedete die Regierung von Silvio Berlusconi ein Wahlgesetz, das der Initiator selbst als „Schweinerei“ bezeichnete, weil es darauf gemünzt war, der Linken das Regieren unmöglich zu machen. In einem parlamentarischen Kraftakt gelang Ministerpräsident Matteo Renzi 2015 die Reform des Wahlrechts. Renzi wurde für diesen Erfolg gefeiert, er beging dabei aber mehrere Fehler.
Zum ersten unterschätzte er die Stärke der aufstrebenden 5-Sterne-Bewegung um den Komiker Beppe Grillo. Das neue, auf zwei politische Blöcke zugeschnittene Wahlrecht sieht eine Stichwahl vor, die die EU-Skeptiker nach aktuellen Umfragen gewinnen würden. Renzi traf zudem die Fehlentscheidung, das Referendum über die Verfassungsreform abhalten zu lassen und es mit seinem politischen Schicksal zu verknüpfen. Jetzt ist der GAU eingetreten. Die Verfassungsreform fiel durch, das neue Wahlgesetz war nur für den Fall der Bestätigung der Reform konzipiert. Für Abgeordnetenhaus und Senat gelten nun grundverschiedene Wahlgesetze, die das Regieren unmöglich machen.
Aus dieser Zwickmühle wird vermutlich nur ein extremes Verhältniswahlrecht herausführen, das Italien schon früher übel mitgespielt hat. Viele, auch kleine Parteien schlossen sich dabei zu Koalitionen zusammen, um an der Regierung ihr erpresserisches Potential zu nutzen oder aber rasch wieder eigene Wege gingen und die Exekutive stürzten. Auch deshalb ist die Regierung Gentiloni die 64. seit Ende des Zweiten Weltkriegs.
Man darf sich keine Illusionen über die Bedeutung der Berufung Gentilonis durch Staatspräsident Sergio Mattarella machen. Gentiloni wird nur wenige Monate im Amt sein, er muss das Land bis zu den nächsten Wahlen steuern. Neuwahlen finden wahrscheinlich nicht zum regulären Ablauf der Legislaturperiode im Februar 2018 statt, sondern bereits früher. Das ist nach dem Rücktritt von Premier Matteo Renzi nach seiner Niederlage beim Verfassungsreferendum der Wunsch der meisten Parteien. Vor allem ist es Renzis Wunsch. Der 41-Jährige hat sich mit dem Referendum grandios verkalkuliert und war gezwungen, seinen angekündigten Rücktritt auch wahr zu machen. Sonst wäre er unglaubwürdig geworden. Doch Renzi ist noch nicht am Ende. Der Noch-Premier bleibt Parteichef des Partito Democratico (PD), der stärksten Partei im Parlament, er war der Regisseur der Nominierung Gentilonis.
Sobald das neue Wahlgesetz steht, will Renzi Revanche. Er ist überzeugt, einen guten Teil der Italiener nach wie vor hinter sich zu haben. Für diesen Plan braucht der Noch-Ministerpräsident einen Nachfolger, der seinen Ambitionen nicht im Weg steht, sondern nach getaner Arbeit wieder in das zweite Glied zurücktritt. Matteo Renzi fällt diese Haltung sichtbar schwer. Paolo Gentiloni ist für solche pflichtbewusste Zurückhaltung bekannt.
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