
In der vorigen Woche legten die Experten erstmals eine Vorausberechnung für Rentenniveau und -beitrag bis 2045 vor. Am Dienstag versammelten sich 20 hochrangige Vertreter der Sozialpartner und Verbände zum Alterssicherungsdialog. Und auch beim Koalitionsgipfel am Donnerstag wird es um Vorhaben der SPD-Politikerin gehen. Doch zunehmend fraglich ist, was davon in dieser Legislaturperiode noch umgesetzt wird.
Die Türen im Sitzungsraum 1.26 des Sozialministeriums hatten sich am Dienstag noch nicht geschlossen, da war das zentrale Dilemma der Ministerin schon protokolliert: „Unser Hauptanliegen ist es, das gesetzliche Rentenniveau zu stabilisieren“, erklärte DGB-Chef Reiner Hoffmann. Bereits ein Festschreiben des Niveaus aber würde nach Angaben des Ministeriums jährlich rund 40 Milliarden Euro kosten. „Die Gesetzgebung muss alles dafür tun, dass die Rentenversicherung nachhaltig finanzierbar bleibt“, mahnte Steffen Kampeter, der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA): „Jetzt darf nichts beschlossen werden, was künftig nicht bezahlt werden kann.“
Einen Konsens über die Zukunft der gesetzlichen Rente dürfte die Dialog-Runde auch beim nächsten Termin am 20. Oktober kaum finden. Nahles nutzt die Treffen vor allem, um Argumente zu sammeln und den Boden für einen eigenen Vorschlag zu bereiten. Im November soll ihr Gesamtkonzept stehen.
Zwar fordert SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann öffentlich, das Thema aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Dass Union und SPD sich aber noch vor der Wahl 2017 auf eine grundlegende Rentenreform mit Leitplanken für Sicherungsniveau und Beitragssatz im Jahr 2045 einigen, erscheint höchst unwahrscheinlich. Insofern leistet Nahles allenfalls Vorarbeit für die nächste Legislaturperiode.
Kurzfristig umzusetzen wären hingegen die Flexi-Rente und die Angleichung der Ost-Renten, für die es bereits Gesetzesentwürfe gibt, sowie der Ausbau der betrieblichen Altersvorsorge, der zwischen Nahles und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) verabredet ist. Im Koalitionsvertrag vereinbart ist auch die solidarische Lebensleistungsrente, von der man freilich wenig hört.
Diese überschaubaren Reformvorhaben könnten bei dem Koalitionsgipfel am Donnerstag eine Rolle spielen. Doch ausgerechnet beim Prestigeprojekt – der von Kanzlerin Angela Merkel für 2020 versprochenen Renteneinheit – knirscht es im Unionslager gewaltig. Schon Ende Juli hat Nahles einen Entwurf vorgelegt, der die Anhebung des Ost-Rentenwertes auf West-Niveau in zwei Schritten 2018 und 2020 vorsieht. Parallel soll die bisherige Höherwertung der Ost-Löhne bei den Rentenansprüchen abgebaut werden. In den ersten beiden Jahren würde das jeweils rund 1,8 Milliarden Euro und ab 2020 dann 3,9 Milliarden Euro kosten.
Doch das Konzept wurde vom Kanzleramt gestoppt. Der Grund: Die Ost-Abgeordneten der Union sind mit dem Wegfall der Höherwertung nicht einverstanden und wollen lieber gar keine Reform. Gleichzeitig will Schäuble keine Steuermittel locker machen. Als Kompromiss schlägt das Kanzleramt nach Informationen des WESER-KURIER vor, die Anpassung in fünf statt in zwei Stufen vorzunehmen.
Dadurch würde man Zeit bis 2023 gewinnen und den Übergang etwas sanfter gestalten. Doch nun droht CSU-Chef Horst Seehofer, dem Vorhaben nur zuzustimmen, wenn im Gegenzug die Mütterrenten ausgeweitet werden, was weitere 6,5 Milliarden Euro kosten würde.
Vor diesem Hintergrund fällt auf, wie defensiv die Kanzlerin inzwischen über ihr Projekt redet. Man müsse Vor- und Nachteile „sorgsam gegeneinander abwägen“, mahnte sie am Wochenende in der Sächsischen Zeitung. Das Thema sei, „wenn man sich ihm ernsthaft nähert, sehr kompliziert“. Das kann Merkel eigentlich nicht überraschen. Es wäre aber eine gute Ausrede, die heikle Materie beim Koalitionsgipfel am Donnerstag erneut zu verschieben.
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