
Geburtstag für Sie wahrscheinlich nur so etwas wie irgendeine Zwischenetappe, oder?
Ingrid Noll:
Mein Vater ist mit 55 Jahren gestorben; zum Glück weiß ich nicht, wessen Gene bei mir überwiegen. Aber 80 ist ja nicht mehr als eine Zahl, da ändert sich im Alltag überhaupt nichts.
Es wird oft betont, dass Sie mit 55 Jahren angefangen haben zu schreiben. Meinen Sie, das merkt man Ihren Romanen an?
Ob „man“ es merkt, weiß ich nicht. Ich selbst weiß allerdings sehr wohl, dass ich mit Anfang 20 eher einen kitschigen Liebesroman geschrieben hätte.
Die Figuren Ihres ersten Romans „Der Hahn ist tot“ waren ebenfalls schon etwas älter. Auch dadurch haben Sie auf sich aufmerksam gemacht. Figuren wie Ihre – Menschen wie Du und ich, die durch unglückliche Verstrickungen meinen morden zu müssen – gab es in der deutschen Literatur nicht. Wie können Sie sich das erklären?
Aus Unkenntnis habe ich mich nicht an das Muster eines klassischen Kriminalromans gehalten, auch weil mich das Psychogramm einer Täterin mehr interessierte als die Arbeit der Polizei. Zudem fand ich immer, dass die eigene Selbstgerechtigkeit schon mal wackeln sollte: Würde ich in einer ähnlichen Situation nicht vielleicht auch kriminell werden?
Man merkt, wenn man Ihre Bücher liest, dass Sie Menschen mögen. Allerdings haben Sie auch ein paar sehr unangenehme Figuren erfunden. Sie alle sind getrieben von allzu menschlichen Empfindungen, die man selber von sich kennt. Halten Sie Ihren Leser einen Spiegel vor?
Auf keinen Fall möchte ich moralisieren und eine Botschaft überbringen, ich möchte vor allem gut unterhalten. Wenn beim Leser allerdings der Nebeneffekt auftritt, etwas ausgiebiger über die eigenen dunklen Seiten nachzudenken, so kann ich sehr zufrieden sein.
. . . man könnte noch weitergehen – sind wir quasi alle fähig zu solchen Morden, wie Sie sie beschreiben, die sich einfach irgendwie ergeben?
In bestimmten Fällen sicherlich. Alle Eltern würden sofort stehlen bevor ihre Kinder verhungern. Auch Verteidigung kann allzu heftig ausfallen; Wut, Rache, Neid, Gier, Hass oder Eifersucht sind uns allen nicht fremd und keiner kann garantieren, dass er in einer Ausnahmesituation nicht überreagiert.
Wie viele Figuren haben Sie in den vergangenen 25 Jahren schon schriftlich umgebracht?
Ich zähle schon lange nicht mehr.
In Ihren Romanen wird gemordet, sie sind aber gar nicht blutrünstig, sondern vielmehr unterhaltsam. Wie wichtig ist Ihnen dieser humoristische, wenn man es so nennen darf, Anteil?
Ohne Humor könnte man das Leben kaum aushalten. Außerdem verhalte ich mich bei grausamen Fernsehszenen wie ein Kind und halte mir die Augen zu. Folter, Quälerei und Grausamkeiten kann ich nicht ertragen und möchte das meinen Lesern auch nicht zumuten.
In Ihrem neuen Roman „Mittagstisch“ geht es auch ums Kochen. Man vermutet, dass die Autorin des Buchs auch oft und viel kocht – stimmt das?
Wenn man eine große Familie hat, geht es ja nicht anders. Außerdem ist das Kochen von allen häuslichen Arbeiten die einzige, bei der man Lob erwarten kann. Abgesehen davon esse ich auch selbst gern . . .
Auch hier müssen wieder Menschen das Leben lassen, erneut von einer Frau, die im Leben zu kurz gekommen zu sein scheint. Diese Frauen scheinen Sie besonders zu interessieren. Warum?
In Frauen kann ich mich besser einfühlen, auch in diesem Fall. Nelly ist Mitte dreißig und alleinerziehend, heutzutage keine Seltenheit. Für alle diese tapferen Frauen ist es schwer, Kindern und Beruf gerecht zu werden und ganz nebenbei noch einen neuen Partner zu finden.
In „Mittagstisch“ gibt es eine Lehrerin, die versucht, schöne alte deutsche Worte zu retten, indem sie sie permanent verwendet. In Ihren vorherigen Büchern konnte man auch den Eindruck gewinnen, dass es Ihnen ähnlich geht – Sie haben in „Hab und Gier“ das Wort Gabelfrühstück reanimiert. Hängen Sie an Wörtern, die quasi vom Aussterben bedroht sind?
Schon bei meiner Großmutter und Mutter habe ich mit Interesse registriert, dass sie sich anders ausdrückten als ich, zum Teil auch feiner beziehungsweise vornehmer – eben als „höhere Töchter“. Jetzt habe ich vier Enkelkinder und beobachte gespannt, wie sich die Sprache wiederum ändert, anpasst und erweitert. An altmodischen, oft auch kuriosen Wörtern hänge ich durchaus, es wäre schade, wenn sie völlig vergessen würden.
Sie werden oft als Crime-Queen beschrieben. Ich habe aber gelesen, dass Sie sich selbst nicht als Krimiautoren verstehen. Wir bezeichnen Sie Ihre Romane?
Doch, ich sehe mich durchaus als Krimiautorin, aber eben nicht nur. Ich habe mal gesagt, meine Romane sind Menschengeschichten mit kriminellen Sahnehäubchen.
Es heißt, in Ihren Büchern wird besonders elegant getötet – legen Sie darauf besonders viel Wert?
Morden ist eigentlich nie elegant, ich lege eher Wert darauf, dass es blitzschnell und schmerzlos geschieht.
Lesen Sie selber Kriminalromane? Was ist Ihnen dabei wichtig?
Ich lese natürlich die neuen Bücher befreundeter Kollegen. Wichtig sind mir dabei eine logische und glaubwürdige Handlung und vor allem ein spannungsreiches Tempo.
Sie veröffentlichen in schöner Regelmäßigkeit alle zwei Jahre einen neuen Roman. Können Ihre Leser darauf auch weiterhin hoffen?
So lange es sowohl mir als auch der Leserschaft noch Spaß macht, werde ich weiter schreiben.
Das Gespräch führte Silke Hellwig
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