
Schockfotos nennen Medien jene Bilder, die seit dem 20. Mai Zigarettenpackungen zieren. Faulende Raucherbeine sind darauf zu sehen, eine Blut hustende Frau, eine Babyleiche auf dem Fließband eines Supermarkts, vom Krebs zersetzte Lungenflügel, schwarze Zahnstümpfe und andere Symptome des Ruins. Neben diesen Spielarten einer Ästhetik des Verfalls müssen die Hersteller nun auch größere Warnhinweise auf Schachteln und anderen Tabakbehältnissen abdrucken.
Die Demonstration etwaiger Folgeschäden des Rauchens ist widerwärtig und obszön. Vor allem aber ist sie insofern ungerecht, da andere Produkte, die nachweislich gesundheitsschädigend sind, ohne Warnhinweise und effekthascherische Ekel-Bilder davonkommen. Erst wenn Süßigkeiten und Salzgebäck mit Fotos von feisten Heranwachsenden und Spirituosen mit Aufnahmen von perforierten Lebern und grenzdebilen Zechern zum Kauf angeboten werden, wäre die Schwarze Pädagogik nachvollziehbar, die auf eine EU-Richtlinie zur Kennzeichnung von Tabakprodukten aus dem Jahr 2014 zurückgeht. Mutmaßlich von Menschen beschlossen, die sich ihr sogenanntes Feierabendbierchen so wenig madig machen lassen wollen wie ein sogenanntes Stückchen Torte am Sonntag.
Hergestellte Zigarettenmenge in Deutschland sinkt
Offenbar zeigt die Einführung der horrenden Bilder und Texte bei der konzertierten Hatz auf Raucher erste Wirkung. So ist die hierzulande hergestellte Zigarettenmenge im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um mehr als 15 Prozent gesunken. Das Statistische Bundesamt erklärte den signifikanten Rückgang prompt mit der Verschärfung der Warnungen, die ebenso gut als infame Drohungen lesbar sind.
Dabei liegt die Perfidie nicht nur in jenem finanziellen Tabaksteuer-Schnitt, den der Staat mit Feinschnitt zum Selberdrehen, fertig gerollten Zigaretten, Zigarillos und Zigarren macht. Überdies unterlaufen die krassen Bilder auch das ungeschriebene Gebot der Verhältnismäßigkeit. Denn die plakative Vorführung möglicher Gesundheitsrisiken suggeriert in dieser neuen Eskalationsstufe einer auf Angst setzenden Abschreckungspolitik, dass die abgebildeten Horrorszenarien zwangsläufig eintreten werden.
Belehrungen und Restriktionen für Raucher im öffentlichen Raum
Wenn ein Gewohnheitsraucher wie der Autor dieses Textes seiner Nikotinsucht nicht abschwören will, muss er eine Mischung aus Trotz und Beharrungsvermögen aufbringen. Der Raucher ist diesbezüglich eine geübte Spezies, weil er sich seit Jahren mit Belehrungen und Restriktionen im öffentlichen Raum arrangieren muss. Die in der Gastronomie, auf Bahnhöfen und in Flughäfen erlebten Erniedrigungen, Marginalisierungen und Ausweisungen sind freilich nur ein Grund dafür, dass ich mich den Prophylaxe-Einflüsterungen verweigere. Zwei andere und wesentliche Gründe: Meine Lunge ist meine Privatsache, und ich rauche gern.
Wer raucht, sehe kaltblütig aus, hat Bertolt Brecht bemerkt. Ich weiß nicht, ob es an diesem Satz liegt – oder womöglich an einer dauerhaften oralen Fixierung, die auf meine Kindheit zurückgeht –, dass ich beschlossen habe, ein unbeugsamer Raucher zu bleiben. Vielleicht hat mir auch die Sturheit von Helmut Schmidt imponiert. Oder ein Bonmot des Humoristen Wilhelm Busch: „Drei Wochen war der Frosch so krank! / Jetzt raucht er wieder. Gott sei Dank.“
Zurschaustellung eventueller Rauchkollateralschäden
Seit einigen Monaten mache ich aus meiner optischen Not eine blinde Tugend, indem ich die Bilder des Anstoßes auf den Zigarettenpackungen meines Vertrauens meide, ausblende, verdränge. Lies: Ich sehe nicht hin, um keinen seelischen Schaden an der penetranten Zurschaustellung eventueller Rauchkollateralschäden zu nehmen.
Und das geht – mit wechselndem Erfolg – wie folgt: In Italien legte ich mir vor einigen Wochen einen Überzieher aus Pappmaschee zu, der allerdings wegen der mir eigenen Ungeschicklichkeit nur wenige Tage hielt. Zurück in Deutschland entdeckte ich zu meinem (temporären) Glück, dass der in meiner Firma – genauer im Raucherraum – aufgestellte Automat noch bildlose Schachteln enthält. Jene, die ich sozusagen als großes Los gezogen hatte, diente mir für einige Tage als Aufbewahrungsbehältnis für Zigaretten aus weniger dezenten Verpackungen. Dann verschliss leider auch sie.
Weiterer Geheimtipp: Softpacks sind offenbar so unbeliebt unter Rauchern, dass sie bisweilen noch ohne Horrorbilder zu haben sind. Überflüssig zu erwähnen, dass ich immer gleich einige auf Vorrat kaufe, sobald ich ein unbeflecktes Kontingent bei einem Tabakdealer entdecke. Apropos: Längst komme ich mir wie ein Junkie vor. Genau das, glaube ich, ist beabsichtigt.
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