
Seit 2008 ist der ehemalige Verwaltungsrichter aus Westfalen Regierungschef im Nordosten. Am 4. September ist Landtagswahl, es ist die siebte seit 1990, und nach Lage der Dinge dürfte Sellering sie verlieren. In Umfragen liegt seine SPD (22 Prozent) klar hinter der CDU (25), aber noch deutlich vor den Linken (17) und Grünen (7). Neuling AfD ist die große Unbekannte, die Sellering den Spaß verderben dürfte: Umfragen sehen sie bei 19 Prozent, einige Experten trauen ihr aber mehr zu. Dass die rechtspopulistische Alternative, angeführt vom ehemaligen Rundfunkmoderator Leif-Erik Holm, überraschend stärkste Fraktion werden könnte, will niemand in Schwerin ganz ausschließen.
Wer sich den aufziehenden Wahlkampf zwischen Ostseestrand und Müritzer Seenplatte ansieht, kann nicht behaupten, dass die AfD dort Sellering gehorcht und gerade langweilig wird. Eher ist es die Konkurrenz der Volksparteien SPD, CDU und Linke, die mitten im Wahlkampf, der auch noch mitten in den Sommerferien stattfindet, Langeweile verbreitet, abgenutzt wirkt, vor allem aber das Gefühl vermittelt, man habe keine gescheiten Antworten auf die Provokationen und Fragen von rechts.
Der Wahlkampf ist wie früher und passt nicht mehr in die Gegenwart. Es ist nicht auszuschließen, dass ab September rechte Parteien deutlich stärker sein werden als manche Noch-Volkspartei. Auch die Neonazis von der NPD haben gute Chancen (Umfrage: 4 Prozent), wieder in den Landtag einzuziehen. Ein Block aus AfD und NPD mit 25 oder 30 Prozent ist eher wahrscheinlich als unwahrscheinlich. Käme es so, aus welchen Resten bildete sich dann eine neue Regierung?
In SPD und CDU bricht kalter Schweiß aus, und man denkt an Sachsen-Anhalt mit seiner Notregierung aus CDU, SPD und Grünen. „Jetzt geht der Wahlkampf richtig los“, verkündete Spitzenkandidat Sellering mutig diese Woche in Schwerin. Sein Motto: „Gemeinsam Kurs halten“. Am Freitag fiel der Startschuss für die heiße Phase der bislang lauen Kampagne. Eingeladen hatte Sellering seine SPD-Amtskollegen aus Hamburg, Niedersachsen und Brandenburg, Olaf Scholz, Stefan Weil und Dietmar Woidke. Man wolle zeigen, so Sellering, dass Sozialdemokraten „richtig gute Regierungsarbeit machen.“ Sellering setzt auf Prominenz auch aus Berlin. SPD-Chef Sigmar Gabriel war schon vor Ort, ebenso Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier.
„Richtig gut“ ist ein Lieblingsausdruck von Sellering. Die Landwirtschaft habe sich „richtig gut“ entwickelt, die Gesundheitswirtschaft, der Fremdenverkehr, die kleinen Betriebe, die Finanzen des Landes. Deshalb bräuchten die Menschen auch richtig gute Arbeit, richtig gute Löhne. So zieht der Regierungschef durch Mecklenburg im Westen und Vorpommern im Osten seines Flächenlandes, gut gelaunt, meist etwas bleich, hemdsärmelig wahlkämpferisch, aber mit Krawatte. Er besucht Altersheime, Kindergärten, Werften und Metallfabriken, man sieht ihn auf Grill- und Fischerfesten.
Alles ist gut. Was nicht so gut ist, findet besser nicht statt – so das Motto Sellerings. Kritiker, wie die Grünen im Landtag, wünschten sich, er würde auch mal Flagge zeigen und sich mehr mit den harten Dingen des Alltags auseinandersetzen. Rostock hat in dieser Woche die geplante Einrichtung einer Unterkunft für Flüchtlingsfamilien im Stadtteil Groß Klein gestoppt. Grund sei die angespannte Sicherheitslage in der Plattenbau-Siedlung, begründete Sozialsenator Steffen Bockhahn (Linke) den ungewöhnlichen Schritt. Er konnte wohl nicht anders, weil ihm der Rückhalt der Schweriner Landesregierung fehlte, die Sache durchzuziehen. Es hatte massive Proteste gegen Flüchtlinge gegeben, und die Polizei hatte schließlich von der Einrichtung von Asylunterkünften in dem Stadtteil abgeraten. Ein Armutszeugnis, ein fatales Signal, rassistische Gewalt werde belohnt, kritisierten die Grünen. Ein klares Signal war von der SPD/CDU-Landesregierung erwartet worden, auch von Lorenz Caffier, Innenminister und CDU-Spitzenkandidat. Aber man wich zurück in Schwerin, keine klare Kante, weder von ihm noch vom Regierungschef.
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