
Flugpassagiere sollen nach dem Willen des EU-Parlaments bei Verspätungen künftig leichter eine Entschädigung bekommen. So sollen Reisende etwa auf Kurzstrecken ab einer Verspätung von drei Stunden Anspruch auf 300 Euro haben. Das sieht ein Gesetzentwurf vor, den das Parlament in Straßburg gestern mit großer Mehrheit verabschiedete. Damit will die EU bisherige Schlupflöcher schließen.
Bereits jetzt haben Passagiere bei langen Verzögerungen ein Recht auf Entschädigung. Dies entschied der Europäische Gerichtshof 2009. So müssen die Fluggesellschaften bei einer Verspätung von drei Stunden 250 Euro zahlen. Doch in der Praxis haben Reisende oft große Schwierigkeiten, diese Ansprüche gegenüber ihren Fluggesellschaften durchzusetzen, erklärte die Sprecherin von EU-Verkehrskommissar Siim Kallas.
Strittig ist zwischen Parlament und EU-Kommission, ab wann Fluggesellschaften zahlen müssen. Die Brüsseler Behörde will erst ab fünf Stunden Verspätung Entschädigungen zugestehen – das Parlament fordert eine Drei-Stunden-Frist. Nach dem Votum müssen sich die Abgeordneten nun noch mit den EU-Regierungen auf einen Kompromiss einigen. Die Kommission ist aus Rücksicht auf Fluggesellschaften gegen zu kurze Fristen für Entschädigungszahlungen, unterstellen Kritiker. Die Behörde wehrt sich: Sie wolle den Airlines mehr Zeit geben, andere Transportmöglichkeiten zu organisieren. Wenn ohnehin eine Entschädigung fällig werde, könne die Fluggesellschaft aus Kostengründen den Flug ganz ausfallen lassen.
Luftverkehrsverbände nannten die Entscheidung unverantwortlich. Für Verbraucher bedeute der Entwurf vor allem teurere Flüge, sagte Klaus-Peter Siegloch, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft. Auch EU-Verkehrskommissar Siim Kallas warnte vor einem Anstieg der Ticketpreise. Er glaube nicht, dass es vor den Europawahlen im Mai zu einer Einigung komme. Die Vereinigung Europäischer Fluggesellschaften hatte im Vorfeld die Vorschläge der EU-Kommission als „ausgeglichen“ bezeichnet, weil sie die Realitäten in einem hart umkämpften Markt berücksichtigten.
Ab fünf Stunden Verspätung soll es nach dem Willen des EU-Parlaments für Mittelstreckenflüge 400 Euro und ab sieben Stunden für Langstreckenflüge 600 Euro Entschädigung geben. Die Kommission hatte deutlich längere Zeiten vorgeschlagen. Nach diesen Vorschlägen würden etwa 70 Prozent der Passagiere von Kurzstreckenflügen bei Verspätungen leer ausgehen, sagte der verkehrspolitische Sprecher der Grünen, Michael Cramer. Mit der Neuregelung der Passagierrechte soll eine Richtlinie von 2004 nachgebessert werden, die nach Meinung von Verbraucherschützern zu viele Schlupflöcher bietet. Auch zahlreiche Urteile des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) aus den vergangenen Jahren werden dabei berücksichtigt.
Für Ärger mit den Fluggesellschaften soll in Zukunft eine Schlichtungsstelle zuständig sein. Die kümmert sich um abgesagte Flüge, beschädigtes Gepäck oder zu lange Wartezeiten, wenn der Passagier sich bei der Fluggesellschaft erfolglos beschwert hat. In Deutschland gibt es bereits die „Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr“ (SöP), die nicht nur für Bahnreisende, sondern seit einigen Monaten auch für Fluggäste Probleme regelt.
Für den SPD-Verkehrsexperten Knut Fleckenstein ist die Definition von „höherer Gewalt“ in dem Paket eine besondere Errungenschaft. Dazu gehören beispielsweise Terrorangriffe, Vogelschlag, Unwetter und Streiks. „Fluggesellschaften können sich nicht mehr mit höherer Gewalt herausreden, um sich um Entschädigungszahlungen zu drücken“, sagte er. In diesen Fällen sind nämlich keine Entschädigungen fällig.
Kommentar Seite 2
n Bereits bezahlte Flugtickets verfallen nicht mehr automatisch, nur weil der Hinflug nicht genutzt werden konnte. Künftig sind auch Nur-Rückflüge möglich.
n Für Hotelübernachtungen bei unverschuldeten Verspätungen oder Annullierungen fordern die Abgeordneten maximal 125 Euro pro Nacht begrenzt auf fünf Nächte.
n Im Flugpreis muss künftig mindestens eine Tasche und ein Duty-Free-Einkauf inbegriffen sein. Gerade Billigflieger machen teilweise mit Zusatzgebühren für Handgepäck Reibach.
n Reisende sollen nicht mehr an ihren Urlaubsorten festsitzen, wenn die Airline Konkurs anmeldet: Fluggesellschaften müssen nachweisen, dass sie Passagiere auch im Falle einer Zahlungsunfähigkeit entschädigen können – etwa über Garantiefonds oder den Abschluss einer Versicherung.
n Fluggesellschaften müssen innerhalb von zwei Monaten auf eine Beschwerde reagieren. Sonst gilt automatisch der Schadenersatzanspruch des Fluggasts. Zudem muss in jedem EU-Staat eine Anlaufstelle für Beschwerden der Passagiere geschaffen werden. (ing)
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ja so lange debattieren, darin sind wir ganz groß.