
Die Regierung aus christlich-konservativer HDZ und der neuen Reformpartei Most (Brücke) hielt nur wenige Monate – zu unterschiedlich waren die Grundüberzeugungen. An diesem Sonntag müssen die Kroaten nun also wieder wählen.
Es ist zu erwarten, dass die Parlamentswahlen ein ähnliches Ergebnis bringen wie Ende vergangenen Jahres. Keine der großen Volksparteien HDZ und SDP (Sozialdemokraten) wird alleine regieren können. Der Unterschied ist nur, dass der Chef der konservativen HDZ in der Zwischenzeit ausgewechselt wurde. Statt dem selbstzerstörerischen Tomislav Karamarko, der auch seine Partei in eine schwere Krise stürzte und die Regierung zu Fall brachte, tritt nun der ehemalige EU-Parlamentarier und ehemalige Diplomat Andrej Plenković für die Konservativen an.
Karamarko musste wegen Korruptionsverdachts im Juni aus der Regierung austreten. Es wurde publik, dass seine Frau Ana Karamarko für einen Lobbyisten der ungarischen Erdölgesellschaft Mol gearbeitet hatte und Ehemann Tomislav Karamarko den weiteren Verkauf von Anteilen der kroatischen Erdölgesellschaft Ina an die Mol unterstützte – was in Kroatien als „Hochverrat“ betrachtet wurde. Auch der Koalitionspartner Most verlangte deshalb Karamarkos Rücktritt als HDZ-Chef.
Weil Karamarko aber die eigene Partei belog und so tat, als könne er eine andere Mehrheit im Parlament finden, stürzte die gesamte Regierung. Den Konservativen hat die Affäre sichtlich geschadet, doch auch die Sozialdemokraten haben einen Imageverlust erlitten. Denn SDP-Chef Zoran Milanović beschimpfte in den vergangenen Wochen nicht nur die Nachbarstaaten Serbien und Bosnien-Herzegowina, sondern machte auch üble Bemerkungen gegenüber seinem Konkurrenten Plenković.
Um Sachthemen geht es im aktuellen Wahlkampf kaum, obwohl Kroatien, das 2013 der Europäischen Union beitrat, seit Jahren in einer tiefen ökonomischen Krise steckt. Nach sechs Jahren Rezession war 2015 zwar wieder ein zartes Wirtschaftswachstum von 1,6 Prozent zu verzeichnen, doch die öffentliche Verschuldung liegt bei knapp 90 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), die Arbeitslosigkeit bei mehr als 19 Prozent, bei den Jungen liegt sie noch weit darüber.
Deshalb wünschen sich viele kroatischen Studenten nichts anderes, als einen Job in einem prosperierenden EU-Land wie beispielsweise Deutschland zu bekommen. Sie wollen nichts wie weg. Der Verwaltungsapparat ist riesig und gilt als ineffizient, weil oft die Parteizugehörigkeit, nicht aber die Kompetenz entscheidend ist. Eigentlich sind sich alle Experten in Kroatien einig, dass es dringend Reformen bräuchte – doch weil diese zu unpopulären Einschnitten im öffentlichen Dienst führen würden, sind sie kaum Thema der Parteien.
Dominierend ist wieder einmal der Nationalismus, in Kroatien zeigt sich dieser in schlechter Tradition in einer antiserbischen Haltung. Diesmal setzt der Sozialdemokrat Milanović sogar mehr auf diese Karte als die christlich-konservative HDZ, die eine viel nationalistischere Vergangenheit hat. Er zieht über die serbische Regierung her und kündigt an, den Kroaten im Nachbarland Bosnien-Herzegowina zur Seite zu stehen. Eigentlich nimmt er damit die Politik des Staastgründers Franjo Tuđman in den 1990er-Jahren wieder auf. Gerade weil es keine Mitte-links-Alternativen zu Milanovićs SDP gibt, wagt er es, im rechten Lager zu wildern. Allerdings läuft er damit Gefahr, linksorientierte Kroaten ins Nicht-Wähler-Lager zu treiben.
Den aktuellen Umfragen zufolge liegt die von den Sozialdemokraten geführte Wahlkoalition vorn. Sie könnte etwa 62 der 151 Sitze im Parlament, dem Sabor, erringen. Die HDZ dürfte etwa 55 Parlamentarier stellen, hat aber deutlich bessere Koalitionschancen als die Sozialdemokraten. Für die SDP ist eine große Koalition mit der HDZ eigentlich die einzige realistische Möglichkeit. Der Zagreber Politologe Dejan Jović weist darauf hin, dass Milanović aber seine Chancen darauf durch seine Attacken gegen die Nachbarstaaten und Plenković untergräbt.
Entscheidend ist am Sonntag eigentlich, ob Most („Die Brücke“) ausreichend Stimmen bekommen wird, um eine Koalition mit der HDZ zustande zu bringen. Die Partei, die der katholischen Kirche nahe steht, ist auch ideologisch näher an der HDZ angesiedelt als an den Sozialdemokraten. Plenković hat in den vergangenen Wochen ein gutes Verhältnis zu Most aufgebaut. Diesmal könnten sich aber auch die Minderheiten eher für die HDZ entscheiden als für die SDP, insbesondere die Vertreter der serbischen Minderheit. Bisher ko nnte die HDZ zudem die Stimmen der Auslandskroaten bekommen.
HDZ-Chef Plenković ist allerdings ziemlich unbekannt, er ist zwar ehrgeizig, aber hat wenig Charisma. Für ihn wird der Urnengang zur Schicksalswahl. Schafft er es nicht, eine Regierung zu bilden, wird er wohl von den eigenen Leuten, insbesondere den Nationalisten, unter Beschuss kommen. Wird er allerdings Premier, wird er wohl versuchen, die moderaten Kräfte abzusichern – Davor Božinović soll das Amt des Außenministers übernehmen.
Damit könnte sich auch das sehr angespannte Verhältnis zum Nachbarstaat Serbien verbessern. Der bisherige Außenminister Miro Kovač versuchte, die Eröffnung von weiteren Verhandlungskapiteln zwischen Serbien und der Europäischen Union zu stoppen.
Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarović dürfte zunächst den Sozialdemokraten, die ja höchstwahrscheinlich die Wahl gewinnen werden, den Auftrag zur Regierungsbildung geben. Diese haben dann 30 Tage Zeit, mit einem Vorschlag zu ihr zurückzukommen. Schaffen sie es nicht, wird sich Grabar-Kitarović an die HDZ wenden. Es ist also mit mindestens mehreren Wochen zu rechnen, bis eine Regierung stehen könnte.
Da aber sowohl HDZ als auch SDP wenig bis nichts von einer großen Koalition halten, spekulieren die Medien bereits jetzt über einen erneuten Urnengang. „Die Wähler sollten sich nach der Wahl auf neue Instabilität einstellen. Oder auf neue Wahlen“, beschreibt die größte Zeitung „24sata“ die Perspektive.
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