
Auch sollen Mundlos und Beate Zschäpe im Jahr 2000 vor der Synagoge in der Rykestraße in Prenzlauer Berg gesehen worden sein – womöglich um das Terrain für einen Anschlag zu sondieren. Was können Sie darüber sagen?
Clemens Binninger: Der Hinweis auf den Aufenthalt von Mundlos und Zschäpe in Berlin im Jahr 2000 ist nicht neu und wurde bereits durch den ersten NSU-Ausschuss herausgearbeitet. Hinweisgeber war damals ein im Objektschutz eingesetzter Polizeibeamter, der sich nach der Fernsehfahndung in der Sendung „Kripo live“ gemeldet hatte und die beiden in einem Restaurant gegenüber der Synagoge gesehen haben wollte. Der Hinweis wurde durch das Landeskriminalamt Berlin als glaubhaft eingeschätzt. Bei den Sprengsätzen war es so, dass nach dem 4. November 2011 durch das Bundeskriminalamt bundesweit Sprengstoffanschläge ausgewertet wurden, um mögliche Zusammenhänge zum NSU zu erkennen. Ich gehe davon aus, dass die Faktenlage bislang nicht ausgereicht hat, um diese Taten dem NSU zuzuordnen. Ausschließen kann man es aber auch nicht.
Die Adresse des jüdischen Friedhofs wurde auf einer Liste mit Tatorten entdeckt, die man 2011 in der ausgebrannten Zwickauer Wohnung des NSU-Trios fand. Warum spielt das alles jetzt plötzlich wieder eine Rolle?
Weitere bislang unbekannte Straftaten und Tatorte werfen natürlich die Frage auf, ob es nicht doch mehr Unterstützer und Mittäter gegeben hat. Die Zweifel an der Hypothese, dass der NSU nur aus drei Leuten bestand und alle Straftaten alleine von Böhnhardt und Mundlos begangen wurden, werden dadurch sicher nicht kleiner.
Der ehemalige Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Berlin, Andreas Nachama, fordert, die Hauptangeklagte im NSU-Prozess, Beate Zschäpe, noch einmal zu den Vorgängen in Berlin zu befragen. Glauben Sie, dass das Sinn hat?
Ich kann Herrn Nachama gut verstehen, denn Zschäpe könnte Licht ins Dunkel bringen. Nach ihrem bisherigen Aussageverhalten vor Gericht habe ich da aber wenig Hoffnung.
Können Sie als Ausschuss denn hier noch etwas tun? Steht der mögliche Tatort Berlin noch auf Ihrer To-do-Liste?
Bislang nicht, zumal sich der erste NSU-Ausschuss schon mit verschiedenen Berlin-Bezügen befasst hat. Allerdings arbeiten wir im Ausschuss ja überparteilich und sind daher auch immer in der Lage, auf neue Erkenntnisse kurzfristig zu reagieren und neuen Fragen nachzugehen.
Gesetzt den Fall, die Vermutungen bestätigen sich: Würde das noch etwas ändern?
Nach unseren Eindrücken aus den bisherigen Zeugenvernehmungen und den Akten haben sich die Ermittlungsbehörden und der Generalbundesanwalt schon sehr darauf festgelegt, dass der NSU nur aus drei Leuten bestand. Andererseits läuft ja noch ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt. Und dort muss neuen Indizien und offenen Fragen konsequent nachgegangen werden. Alles andere wäre der Öffentlichkeit, den Opfern und ihren Angehörigen nicht zu vermitteln.
Die Fragen stellte Markus Decker.
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