
Selbst dem „Maschinengewehr“ im US-Senat John McCain verschlug es für Stunden die Sprache. Der Republikaner veröffentlichte schließlich eine Erklärung zu den ausgehandelten Eckpunkten, die für seine Verhältnisse milde ausfiel. Er freue sich „auf ein ausführliches Briefing der Regierung“ so der Falke, der im Präsidentschafts-Wahlkampf 2008 als Kandidat zu einer Melodie der Beach Boys noch „Bomb, bomb, bomb, bomb, bomb Iran“ intoniert hatte.
Der von McCain aufgeworfene Fragenkatalog reflektiert zum Teil die offenen Details, die in den kommenden drei Monaten gelöst werden müssen, bevor die UN-Vetomächte USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich sowie Deutschland (5+1) mit dem Iran ein substanzielles Abkommen formal beschließen können. Barack Obama ist der Letzte, der bestreitet, dass es noch schwierige offene Fragen gibt. „Nichts ist vereinbart, bis alles vereinbart ist,“ betonte der US-Präsident am Donnerstag im Rosengarten des Weißen Hauses. In seiner 18-minütigen Rede sprach Obama von einer „historischen Übereinkunft“, die nach zwölf Jahren Verhandlungen und einem achttägigen Schlussspurt im schweizerischen Lausanne erreicht worden sei. Dabei sei „ein guter Deal“ herausgekommen. „Er verbaut Iran jeden Weg zur Atombombe. Er umfasst das robusteste und entschiedenste Überwachungsregime, das jemals in der Geschichte bei einem Nuklearprogramm verhandelt wurde.“
Seine Kritiker fragte Obama direkt, was die Alternative zu einem „überprüfbaren“ Abkommen sei, das für lange Zeit strenge Kontrollen durch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) vorsehe? „Dies sind Fragen von Krieg und Frieden“. Sollte der Kongress die Einigung durchkreuzen, werde die Welt die USA für das „Scheitern der Diplomatie“ verantwortlich machen. Echte Zweifel, dass es zu einer Lösung kommen wird, hegt der US-Präsident offenbar nicht. Genau das fürchtet der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der kurz vor seinem Sieg bei den Parlamentswahlen im US-Kongress auf Einladung des republikanischen Sprechers des Repräsentantenhauses, John Boehner, gegen ein Abkommen mit dem Iran polemisiert hatte. Alarmiert über das Ergebnis von Lausanne twitterte Netanjahu, Israel werde durch eine solche Vereinbarung „in seiner Existenz bedroht“.
Da Netanjahu sich im Weißen Haus mittlerweile den Status einer Persona non grata erarbeitet hat, setzt der israelische Regierungschef auf Widerstand im Kongress. Seine engsten Verbündeten findet der rechte Likud-Politiker bei den Republikanern, die wie Repräsentantenhaussprecher Boehner eine Mitsprache einfordern. Boehner bewegt sich damit allerdings auf verlorenem Posten. Zumal Skeptiker bei den Demokraten inzwischen umschwenkten, nachdem sie realisierten, wie detailliert das ausgehandelte Abkommen tatsächlich ist. Die mutmaßliche Bewerberin um die Nachfolge Obamas im Weißen Haus, Hillary Clinton, sprach von einem „wichtigen Schritt in Richtung eines umfassenden Abkommens, das Iran daran hindert, eine Nuklearmacht zu werden.“
Experten wie Gary Samore und Olli Heinonen von der Kennedy School of Government an der Harvard University zeigten sich beeindruckt von der Fülle der ausgehandelten Details. „Das rechtfertigt allemal, als Rahmeneinkommen eingestuft zu werden“, betonte Samore, der Obama in der ersten Amtszeit beim Thema Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen beraten hatte. Der frühere NATO-Botschafter der USA, Ivo Daalder, ordnete die Thematik in einen größeren Kontext ein. Der Präsident sei bestrebt, möglichst vielen Menschen die Möglichkeit zu geben, im Austausch mit Demokratien zu stehen. „Je mehr Leute mit offenen Gesellschaften interagieren, desto mehr werden sie selber Teil einer offenen Gesellschaft“, sagte Daalder. Insofern sei es kein Wunder, dass Obama die Öffnungspolitik gegenüber Iran, Kuba und Burma gleichzeitig vorantreibe.
Am Mehrabad-Flughafen von Teheran wurde Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif bei seiner Rückkehr gefeiert wie ein Nationalheld. Hunderte riefen „Lang lebe Dr. Sarif“ und schwenkten stolz die iranische Flagge. Es gab spontane Straßenfeste, Autofahrer hupten, Menschen tanzten. Jugendliche skandierten „Obama, Obama“. Sie wünschen sich eine Normalisierung der Beziehungen mit den USA – nach mehr als 35 Jahren Feindseligkeit. Einige hielten in der einen Hand einen 10 000-Rial-Schein und in der anderen eine Ein-Dollar-Note. Die Botschaft: Das soll der neue Umtauschkurs werden. Noch kostet ein Dollar das Dreifache.
Im Iran interessiert sich kaum ein Bürger für die Anzahl der Zentrifugen und ob in Arak nun ein Schwer- oder Leichtwasserreaktor gebaut wird. Was die Menschen in erster Linie interessiert, ist die Aufhebung der Sanktionen und damit ein Ende der Inflation. „Wir wissen nur dann, woran wir sind, wenn die Sanktionen weg sind“, sagt ein Devisenmakler. Werden sie nun alle auf einmal aufgehoben oder schrittweise? Wegen der widersprüchlichen Aussagen sind auch die Auswirkungen auf den Devisenkurs noch unklar.
Unsicherheit herrscht auch weiterhin bei iranischen Unternehmern. „Da ist mir zu viel Inschallah (so Gott will) bei Sarifs Erläuterungen“, erklärt ein Seifen-Importeur. Was wird beispielsweise aus den Finanzsanktionen gegen Banken, die in den vergangenen Jahren sowohl Import als auch Export erschwert haben? Daher will der Unternehmer wie andere auch lieber mit Planungen bis Ende Juni warten – bis das endgültige Abkommen steht.
Da der oberste Führer, Ajatollah Ali Chamenei, bis jetzt Präsident Hassan Ruhanis Atompolitik unterstützt hat, halten sich die Kritiker in Land eher zurück. Zu Wort hat sich erneut nur Hussein Schariatmadari gemeldet. „Da haben wir das gute Pferd mit einem Ackergaul ausgetauscht“, so der Herausgeber der islamistischen Zeitung „Kejhan“. Iranische Hardliner befürworten zwar eine Einigung im Atomstreit und damit ein Ende der Wirtschaftskrise, aber sie bangen um ihre politische Zukunft. Denn schon im Februar 2016 gibt es Parlamentswahlen. „Eine Einigung wäre für die Reformer nicht nur ein großer strategischer Erfolg, sondern auch ein Garant für einen Wahlsieg und damit eine Übernahme des Parlaments von den Hardlinern“, sagt ein Politologe der Universität Teheran.
Aber umgedreht könnte ein Scheitern des Abkommens zum Verhängnis für die Reformer und auch Präsident Ruhani werden. Das würde dann nicht nur erneut den Einfluss der Hardliner stärken. Viele befürchten ein Comeback von Ex-Präsident Mahmud Ahmadinedschad. Der sitzt offenbar in Lauerstellung und wartet auf ein Scheitern Ruhanis in den Atomverhandlungen.
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