
Es geschah beim Antrittsbesuch der neuen polnischen Premierministerin in Berlin. Offenbar beflügelt vom schmissigen Marsch des Bundeswehr-Orchesters wäre Ewa Kopacz fast auf dem roten Teppich gegen einen Zaun gelaufen. Resolut griff Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ihre Besucherin am Arm und schob sie in die richtige Richtung. Das deutsche Fernsehen blendete den Patzer taktvoll aus. In Polen aber ergoss sich ein Schwall von Häme über die neue Regierungschefin, die sich auf internationalem Parkett so unbeholfen bewegte.
Einen Monat ist es her, dass die 57-jährige vormalige Gesundheitsministerin und Parlamentspräsidenten das Amt ihres liberalen Parteifreunds Donald Tusk übernahm, der EU-Ratspräsident wird. Und mittlerweile sprechen die polnischen Medien staunend vom „Kopacz-Effekt“. Denn die Premierministerin liegt auf der Beliebtheitsskala in Umfragen auf Platz zwei – nach Präsident Bronislaw Komorowski. Das hat auch positive Folgen für ihre Partei: Die regierende Bürgerplattform (PO), die ein Jahr vor der Parlamentswahl im Herbst 2015 zunehmend an Wählergunst verlor, ist plötzlich wieder im Aufwind.
Trotz ihrer geringen außenpolitischen Erfahrung kehrte Kopacz kürzlich vom EU-Klimagipfel mit einem Erfolg zurück. Polen erhält bis 2030 kostenlose CO2-Emissionszertifikate. Das ist wichtig für Polens kriselnde Bergbauindustrie. Auch nach innen beweist sie Durchsetzungskraft. So gelang es ihr, die Reihen der PO zu einen. Die Aussicht auf den Weggang des dominanten Parteiführers Tusk hatte eine Flügelbildung befördert. Kopacz ersetzte in ihrem Kabinett fünf von 17 Ministern. Ihren schärfsten Rivalen, den populären schlesischen Politiker Grzegorz Schetyna, ernannte sie zum Außenminister. Ein schlauer Zug: Der Konkurrent und Tusk-Kritiker ist so in die Regierungsarbeit eingebunden.
Platz machen für Schetyna musste ausgerechnet Radoslaw Sikorski. Er galt als Überflieger und hatte sich als polnischer Chefdiplomat ein hohes internationales Ansehen erworben. Von Kopacz wurde Sikorski weggelobt in das Amt des Sejm-Marschalls (Parlamentspräsidenten) – eine innenpolitisch zwar prestigeträchtige, außenpolitisch aber unbedeutende Funktion.
Zuvor war Sikorski mit seinen Bemühungen gescheitert, neuer NATO-Generalsekretär zu werden. Beobachter in Warschau sehen den angestauten Frust als Grund dafür, dass sich der Ex-Außenminister in einem Interview mit dem US-Portal „politico“ selbst kompromittierte. Sikorski behauptete, Wladimir Putin hätte Polens Premier Tusk 2008 die Aufteilung der Ukraine vorgeschlagen. Später ruderte der Ex-Minister ungeschickt zurück. Premierministerin Kopacz rügte sein Verhalten öffentlich. Am Ende meldete sich Tusk zu Wort: Solche Worte Putins seien niemals gefallen. Der ehrgeizige und hochintelligente Sikorski hat sich mit der Aktion vorerst ins Abseits geschossen. „Er wollte sich mit diesem Interview außerhalb Polens groß profilieren – das ist schiefgegangen“, so Jerzy Haszczynski, Außenpolitikchef der Zeitung „Rzeczpospolita“. Sikorski und Tusk hätten für die Ambitionen Polens gestanden, in der europäischen Außenpolitik eine gewichtige Rolle zu spielen. Premierministerin Kopacz dagegen fahre einen anderen Kurs. „Sie möchte, dass sich Polen außenpolitisch wieder in die zweite Reihe zurückzieht – auf die Ebene Tschechiens oder Ungarns“, sagt Haszczynski.
Als Kopacz bei ihrem Regierungsantritt von Journalisten gefragt wurde, ob Polen Waffen an die Ukraine liefern solle, antwortete sie mit einer sehr weiblichen Parabel: Wenn jemand auf der Straße sie mit einer Waffe bedrohen würde, wäre ihr erster Gedanke, nach Haus zu eilen, die Tür zu schließen und sich um ihre Kinder zu kümmern. Ein Mann würde vielleicht kämpfen. „Ich sage: Polen sollte wie eine vernünftige polnische Frau agieren. Unsere Sicherheit, unser Land und unsere Kinder sind am wichtigsten.“ Nicht allen gefiel das – Kritiker empfanden diese Bemerkung als zu hausbacken. Doch vielleicht auch wegen dieser „neuen Bescheidenheit“ in der polnischen Außenpolitik ist Kopacz bei der Bevölkerung beliebt. Die Premierministerin sei dabei, ein neues Image einer Führungsperson aufzubauen, glaubt der Publizist Cezary Michalski: „Das Bild der verantwortungsbewussten Hausherrin des staatlichen Gehöfts.“ Offenbar kommt das bei den Polen gut an, weil sie das Gefühl haben, dass sich die Regierung mehr um die Probleme zu Hause kümmert.
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