
Seine Hoffnung, die volle Portion des Ruhmes behalten zu dürfen, war nicht zu übersehen. Der Brasilianer Marcelo, im Team von Hannover 96 für das Verhindern von Toren zuständig, erklärte mit breitem Grinsen im Gesicht: „Ich denke, das war mein Treffer.“ Dummerweise wurde sein Kopfball, der in der 88. Minute die Torlinie überquert hatte, aber als Eigentor gewertet. Freistoßflanke Hiroshi Kiyotake, Kopfball Marcelo – dass danach Gegenspieler Alexander Madlung einen folgenschweren Fehltritt folgen ließ, war der glückliche Abschluss eines zähen Spiels. Hannover 96 gelang mit dem 1:0 (0:0)-Heimsieg gegen Eintracht Frankfurt der Sprung auf den sechsten Tabellenplatz. Und mit diesem Trost konnte der Torschütze in spe namens Marcelo gut leben.
Bei der Aufarbeitung eines Spiels, das nur wenige der 42 200 Zuschauer in Hannover gut unterhalten haben dürfte, fielen klare Worte – vor allem auf Seiten der Frankfurter. „Scheiß Tag, scheiße gespielt. So kann man in der Bundesliga nicht bestehen“, meinte Eintracht-Stürmer Alexander Meier anschließend. Weil er ein durchaus streitbarer und ironisch veranlagter Zeitgenosse ist, ließ sich nur bedingt auflösen, auf wen er eigentlich sauer war. Vom soliden, aber eben auch harmlosen Auftritt der Frankfurter wird dummerweise vor allem jene Szene in Erinnerung bleiben, in der Meier kurz vor dem Abpfiff eine Großchance mit einem völlig verunglückten Torschuss in den hannoverschen Abendhimmel vergab.
Drei Bundesliga-Niederlagen in Folge und das Aus im DFB-Pokal ergeben eine Momentaufnahme der Eintracht, die Thomas Schaaf in Erklärungsnot bringt. Voller Routine versuchte der Frankfurter Trainer den Schwächen seiner Mannschaft irgendwie doch noch etwas Positives abzugewinnen. Nicht viel zugelassen, kompakt gestanden – erst auf kritische Nachfragen hin räumte Schaaf mit gewohnt unterkühltem Tonfall ein, dass er in der 1. Halbzeit eine kuriose Aufstellung mit vielen bisherigen Reservisten gewählt hatte und jetzt vor Problemen steht. „Wir haben viele Baustellen, nicht nur eine“, gestand der 53-Jährige.
Eine wesentliche dürfte sein, dass die Eintracht zu wenig Torgefahr ausstrahlt. Zum Ärger der Frankfurter stieg Madlung dann auch noch zum Pechvogel der Partie auf. Sein Eigentor belohnte mit Hannover 96 die deutlich fleißigere und deshalb auch leicht bessere Mannschaft. Die Niedersachsen waren zudem in der 19. Minute um ein Kopfballtor durch Jimmy Briand gebracht worden, das wegen eines angeblichen Fouls von ihm nicht gegeben wurde.
Wie es dazu kommen konnte, dass Hannover 96 nur wenige Tage nach der peinlichen Pokalniederlage beim Zweitligisten Aalen zu den Spitzenteams der Bundesliga aufsteigen konnte, gehört zu den Kuriositäten der Liga. Die Stimmung im Stadion, in dem viele Sitzplätze frei geblieben waren, ist nicht mehr die beste. Martin Kind, der mächtige Präsident von Hannover 96, hatte Trainer Tayfun Korkut und Sportdirektor Dirk Dufner vor der Partie in die Pflicht genommen. Nach dem ersehnten Heimsieg sagte er: „Ich habe nichts gefordert. Es wurde nur plakativ dargestellt.“ Und das 1:0? „Diese Mannschaft hat Charakter“, sagte Kind und sah zufrieden aus. Vor allem der von ihm als Cheftrainer eingestellte Korkut hat trotz einer guten Platzierung immer wieder Probleme, sich die nötige Anerkennung zu sichern. Sein Spielsystem vermeidet Risiken und steht selten für Spektakel. Seine Spielanalysen stellen stets das Gute an einem Kollektiv, aber selten die Stärken Einzelner heraus.
Es wäre für Korkut ein Leichtes gewesen, den in der Defensive starken Marcelo zu loben. Oder einen gewissen Maurice Hirsch, der angesichts der Personalprobleme in Hannover zu seinem ersten Bundesligaspiel gekommen war und prompt zu den besten Akteuren auf dem Platz gezählt hatte. Genügend Steilvorlagen für Lobeshymnen gab es also. Doch Korkut blieb seinem Stil treu, als wolle er die Sachlichkeit seines Kollegen Schaaf noch um Längen überbieten. „Ich lobe die gesamte Mannschaft, auch wenn das vielleicht ein bisschen langweilig ist“, sagte der 40-Jährige. Weil der Mann so zurückhaltend ist und keine Lust auf große Töne hat, wird Hannover wohl mit folgender Tücke leben müssen: Fünf Siege aus zehn Ligaspielen, besser als Schalke 04, punktgleich mit Bayer Leverkusen und doch bundesweit eher am Rande beachtet.
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