
Schier endlos zog sich der Konflikt über die von der Bundesregierung geplante Verschärfung des Asylrechts hin, nun ist der Widerstand über Nacht in sich zusammengebrochen. Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann scherte aus der Phalanx der Gegner aus und stimmte am Freitag im Bundesrat den schwarz-roten Plänen zu. Ohne sein Ja wäre für die zustimmungspflichtige Novelle keine Mehrheit in der Länderkammer zustande gekommen.
Die Reform sieht vor, dass Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina künftig offiziell als sichere Herkunftsländer eingestuft werden. Dadurch soll es möglich sein, Asylsuchende aus diesen Ländern nach beschleunigten Verfahren schneller abzuschieben. Am Ende – so die Argumentation der Regierungskoalition – werde es weniger Anträge aus den Balkanstaaten und mehr Ressourcen für Menschen aus gefährlichen Kriegsgebieten wie Syrien geben.
Noch am Donnerstagabend schien es allerdings unwahrscheinlich, dass die letzten Vermittlungsversuche von Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) erfolgreich sein würden. Bis wenige Stunden vor der Abstimmung machte er den Ländern mit grüner Regierungsbeteiligung Kompromissvorschläge – bis Baden-Württemberg schließlich zustimmte. „Ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht“, sagte Kretschmann im Bundesrat. Aber wenn es nicht gelinge, die durch den großen Flüchtlingszustrom entstandenen Probleme zu lösen, könne sich das negativ auf die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung auswirken. Er habe in den Schlussverhandlungen „substanzielle Verbesserungen“ durchgesetzt.
In der Tat hat Kretschmann der Großen Koalition einige Zugeständnisse abgerungen. Demnach können Asylbewerber künftig leichter ihren Wohnort wechseln und eine Arbeit aufnehmen. Statt Sachleistungen sollen sie vorrangig Geld bekommen, über das sie frei verfügen dürfen. Außerdem – und das war dem baden-württembergischen Regierungschef besonders wichtig – wurde den Kommunen finanzielle Hilfe bei Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge zugesagt.
Während Kretschmann aus dem schwarz-roten Lager Beifall für sein Einlenken erhielt, erntete er in seiner eigenen Partei harsche Kritik. Der Grünen-Innenexperte Volker Beck schimpfte: „Heute wurde das Menschenrecht auf Asyl für einen Appel und ein Ei verdealt.“ Von einem „fatalen Alleingang“ sprach die Grüne Jugend. Und Grünen-Bundeschefin Simone Peter kommentierte: „Der Bundesrat hat heute eine falsche Entscheidung getroffen.“
Per Beschluss hatte die Grünen-Spitze den Kompromissvorschlag vor der Sitzung der Länderkammer als unzureichend bezeichnet. Hauptargument der Kritiker: Das Recht auf ein individuelles Asylverfahren werde durch das Konstrukt „sichere Herkunftsstaaten“ ausgehöhlt. Außer Baden-Württemberg stimmte daher kein Land mit grüner Regierungsbeteiligung der Gesetzesänderung zu.
Dabei macht zum Beispiel Bremens Bürger Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) keinen Hehl daraus, dass er die Reform befürwortet. Er sprach am Freitag von einer „vernünftigen Verständigung“. Die Einordnung von Mazedonien, Serbien sowie Bosnien und Herzegowina als sichere Herkunftsstaaten sei wegen der äußerst geringen Anerkennungsquote vertretbar, zumal dennoch in jedem Einzelfall Asylgründe nachgewiesen werden könnten. Der Koalitionspartner indes sieht das anders: „Angesichts der bedrückenden Lage der Roma in diesen Ländern halte ich es für falsch, von sicheren Herkunftsländern zu sprechen“, sagte Bürgermeisterin Karoline Linnert (Grüne). Pauschale Regelungen seien eine Beeinträchtigung für jedes faire Verfahren.
Wie Bremen enthielt sich auch Niedersachsen bei der Abstimmung. Während Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) den Asylkompromiss verteidigte, hält die grüne Landeschefin Meta Janssen-Kucz gar nichts davon. „Das löst überhaupt keine Probleme“, sagte sie. Im Gegenteil: Der Beschluss erhöhe für die Betroffenen die Gefahr der Stigmatisierung. Der Kieler Ministerpräsident Albig (SPD), der sich mit seinem grünen Koalitionspartner einig ist, kritisierte gar, es würden „Armutszuwanderer und Kriegsflüchtlinge gegeneinander ausgespielt“.
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