
Christa Kuhl holt Planen und Strohsäcke aus einem Verschlag – Nässeschutz und Polster. Richtig bequem wird der Sitzplatz auf einem mit Bohlen befestigten Erdwall auch damit nicht. An Birken, Kiefern und vier Holzkreuzen vorbei fällt der Blick auf das Erkundungsbergwerk in Gorleben. An jedem Sonntag treffen sich hier im Wald Menschen zum Gorlebener Gebet. Seit fast 28 Jahren kommen sie zusammen. „Bei Minusgraden stehen manche lieber und vertreten sich ein wenig die Beine“, sagt die 78-Jährige.
Die Gruppe rechnet sich zur Protestbewegung gegen die Atomanlagen, die an den Wald angrenzen. „Noch nie ist ein Gorlebener Gebet ausgefallen“, versichert Kuhl, die die Andachten der ökumenischen Initiative koordiniert. Schon bald, nachdem der damalige niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU) Gorleben als Atomstandort benannt hatte, formierte sich im Wendland der Widerstand. Viele Initiativen zeichnen sich durch Beharrlichkeit aus – so wie das Gorlebener Gebet.
Wenn Umweltschützer bis zum 26. Februar mit Aktionen an den Jahrestag der Standortbenennung erinnern, beteiligt sich auch die ökumenische Initiative. Elke Mundhenk wird dann die Andacht halten. Wo-rüber, da legt sie sich noch nicht fest. „Meistens wird kurz vorher etwas ganz wichtig“, sagt sie. Mundhenk, die für die Grünen bis zum vergangenen Jahr Bürgermeisterin im nahe gelegenen Dannenberg war, fühlt sich dem Gorleben-Protest verbunden. „Und ich finde es gut, dass auch Christen sich da positionieren“, ergänzt das Mitglied der baptistischen Freikirche.
Längst ist die Initiative anerkannt, sowohl in der Anti-Atom-Bewegung als auch in der Kirche. Der evangelische Landesbischof Ralf Meister aus Hannover predigte schon an den Gorleben-Kreuzen, das katholische Bistum Hildesheim machte mit einem Kreuzweg dort Station. In den Anfangsjahren allerdings gab es teils heftige politische und theologische Auseinandersetzungen.
Tausende beim Friedensmarsch
Im Wald predigen nicht nur Theologen. Mal spricht ein Ehepaar im Wechsel, dann wieder gestaltet ein Studentenchor die Andacht. Muslimische Frauen haben schon Friedenstexte aus dem Koran vorgelesen. Seit 1989 werden die Andachten regelmäßig gefeiert. Doch ihre Geschichte reicht weiter zurück.
1985 haben Atomkraftgegner erstmals ein Holzkreuz nach Gorleben getragen. Aus-einandersetzungen mit den Behörden und mit Kirchenvertretern begleiteten seinen Weg vom Kraftwerk Krümmel bei Hamburg ins Wendland. 1988 beteiligten sich rund 6000 Menschen an einem Friedensmarsch vom bayerischen Wackersdorf nach Gorleben. Brüchig geworden steht das Kreuz von damals noch dort, angelehnt an einen Baum.
Auch die anderen Kreuze wurden bei „Kreuzwegen für die Schöpfung“ in den Wald geschleppt – 2001 etwa von Lüneburg entlang der letzten Etappe der Castor-Transporte aus der französischen Wiederauf-bereitungsanlage La Hague ins Gorlebener Zwischenlager. Zuletzt pflanzte die Initiative in die Schneise in Richtung Erkundungsbergwerk einen Baum. Die dreistämmige Eiche ehrt die im vergangenen Frühjahr gestorbene Atomkraftgegnerin Marianne Fritzen. Die langjährige Vorsitzende der Bürgerinitiative Umweltschutz nahm regelmäßig an den Andachten teil.
Ganz in der Nähe liegt die Atommüll-Halle, in der 113 Behälter mit Kernbrennstoffen lagern. Zuletzt rollten im November 2011 Castoren nach Gorleben, begleitet von Massenprotesten. Mit ihnen stieg die Besucherzahl der Gorlebener Gebete oft auf mehr als 150 an. Aber auch seitdem die Politik einen Neustart für die Suche nach einem atomaren Endlager angekündigt hat, kommen Kuhl zufolge zwischen zehn und mehr als 30 Menschen jede Woche.
An einem wirklichen Neustart der Endlagersuche zweifeln sie. „Das Prozedere ist nicht so angelegt, dass es Hoffnung auf ein faires Verfahren macht“, sagt Elke Mundhenk. „Nach menschlichem Ermessen sehen wir immer wieder, dass die Option Gorleben durch die Hintertür durchgedrückt werden soll. Aber: Gott kann Wunder tun.“
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