
Verschwiegenheit ist die
wichtigste Regel in den Räumen der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft (DPG), wo heute Nachmittag die ersten Sondierungsgespräche zwischen den 21 Unterhändlern von Union und SPD stattfinden. Die möglichen Koalitionäre haben den Ort, der bereits 2005 als Treffpunkt bei den Verhandlungen zur großen Koalition diente, mit Bedacht gewählt. Nichts, was dort besprochen wird, darf nach außen dringen, so steht es seit jeher in den Statuten der 1951 gegründeten Vereinigung, die ihren Sitz im Reichstagspräsidentenpalais in unmittelbares Nähe des Bundestags hat.
Aber was für ein Verein ist die DPG eigentlich, die normalerweise kaum öffentlich in Erscheinung tritt? Welche Ziele verfolgt sie? Eine eigene Internetseite gibt es nicht, und mit den rund 40 Mitarbeitern des exklusiven Hauptstadtklubs ins Gespräch zu kommen, ist schwierig. „Bitte haben Sie Verständnis, dass wir uns gegenüber der Presse nicht äußern können“, sagt Geschäftsführer Bernd Wichterich. Er wacht darüber, dass Christ- und Sozialdemokraten abgeschirmt von der Öffentlichkeit Klartext über die zentralen politischen Fragen des Landes reden können.
Doch die DPG dient nicht nur als Ort der Koalitionsanbahnung, sie ist in den mehr als 60 Jahren ihres Bestehens vieles gewesen – und all das immer zugleich: neutraler Treffpunkt politischer Widersacher, heimliche Gesetzesschmiede, Konsensklub oder Schauplatz siebengängiger Versöhnungsessen. Aktive und ehemalige Abgeordnete aller Fraktionen treffen sich zum entspannten Plausch. Ansonsten haben nur wenige persönliche Gäste Zutritt. Finanziert wird die DPG nicht nur durch die etwa 1,4 Millionen Euro Bundeszuschuss, sondern auch durch die Mitgliedsbeiträge von derzeit mindestens 210 Euro jährlich pro Person.
Gegründet wurde die Vereinigung einst von politischen Vordenkern, die sich nach den Erfahrungen des Krieges und der Nazidiktatur einen Ort der parlamentarischen Kollegialität wünschten, wo der gewöhnliche Parteienstreit keine Rolle spielen sollte. Die inzwischen abgerissene Villa Dahm in Bonn wurde für viele Jahre zu genau diesem Refugium. Mit dem Wechsel nach Berlin zog die DPG schließlich in das Reichstagspräsidentenpalais ein.
Der ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Elke Leonhard, die von 1999 bis 2006 Präsidentin der Parlamentarischen Gesellschaft war, gelang es, den Parlamentarierklub auch in der Berliner Republik zu etablieren. Nach ihrer Amtszeit wurde sie zur Ehrenpräsidentin auf Lebenszeit ernannt. Obwohl sie dem verschwiegenen Zirkel, der rund 1400 Mitglieder hat, nach wie vor angehört, ist sie durchaus auskunftsfreudig: „Die DPG ist eine Tochter des Parlaments“, sagt die 64-Jährige. Rund 80 Prozent aller Bundestagsabgeordneten seien regelmäßig in den prächtigen Räumen mit Kronleuchtern, Marmor, Kassettendecken und erstklassiger Bewirtung zu Gast. „Fraktionsgrenzen spielen keine Rolle“, versichert Leonhard. Wichtig sei nur eines: Diskretion nach außen.
Bereits im Jahr 2005, so die Ehrenvorsitzende, habe sich die DPG als Ausrichter für die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD bewährt. Ob die Gespräche auch diesmal erfolgreich verlaufen werden, weiß Leonhard freilich nicht. Aber in einem Punkt ist sie sich ganz sicher: „Das Ambiente könnte besser nicht sein.“
Die Union hat Steuererhöhungen bislang kategorisch ausgeschlossen und will die Bürger bei der kalten Progression entlasten; zumindest ihr Wirtschaftsflügel fordert zudem Entlastungen beim Solidaritätszuschlag. Die SPD kritisiert solche Vorfestlegungen als „unseriös“. Sie will große Einkommen und Vermögen stärker belasten, um Schuldenabbau, Bildung und Infrastrukturausbau zu finanzieren. Dazu soll der Spitzensteuersatz auf 49 Prozent steigen. Auch eine höhere Abgeltungsteuer für Kapitaleinkünfte ist geplant.
Die SPD dringt auf einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von mindestens 8,50 Euro. CDU und CSU setzen dagegen auf branchenbezogene Lohnuntergrenzen in erster Linie für Arbeitnehmer ohne Tarifbindung. Kompromisse wären aber vorstellbar, denn auch der CDU-Arbeitnehmerflügel will Dumpinglöhne stärker bekämpfen. Weiterer Streitpunkt ist die SPD-Forderung nach einer Frauenquote für Aufsichtsräte.
Die Rente mit 67 hatten Union und SPD in der Großen Koalition 2006 gemeinsam eingeführt. Inzwischen fordert die SPD deren Aussetzung, sollte der Anteil älterer Erwerbstätiger nicht deutlich steigen. Für langjährig Versicherte fordern die Sozialdemokraten eine Solidarrente von mindestens 850 Euro. Die CDU diskutiert eine Lebensleistungsrente, die allerdings niedriger und regional unterschiedlich ausfallen dürfte. Außerdem will die Union Renten für ältere Mütter verbessern.
Die Sozialdemokraten setzen sich entschieden für eine Mietpreisbremse ein und wollen außerdem Maklerkosten künftig dem Vermieter aufbürden. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich im Wahlkampf offen für eine Begrenzung der in letzter Zeit stark gestiegenen Mietpreise gezeigt. In der Union stößt dieses Vorhaben aber auf erheblichen Widerstand.
Das gerade erst eingeführte Betreuungsgeld wollen die Sozialdemokraten abschaffen. Die CSU verteidigt es vehement, aber auch in der CDU wird es teilweise kritisch gesehen. Kinderbetreuung wollen alle ausbauen, die SPD will Kitagebühren schrittweise ganz abschaffen. Das Ehegattensplitting will die SPD abschmelzen. Die Union plant einen Umbau zum Familiensplitting.
Mit einer – auch die Pflege abdeckenden – Bürgerversicherung für alle will die SPD das Zweiklassen-System aus privater und gesetzlicher Krankenversicherung ablösen. Die Union will im Grundsatz am Nebeneinander privater und gesetzlicher Kassen festhalten und befürwortet Zusatzbeiträge für Versicherte. Die Beiträge zur Pflegeversicherung will sie leicht anheben.
Schon bisher hat die SPD die Politik Merkels in der Euro-Krise mitgetragen. Allerdings will die SPD Finanzmärkte stärker regulieren und bei der Finanztransaktionsteuer stärker Druck machen. Zudem setzen sich die Sozialdemokraten für einen europäischen Schuldentilgungsfonds ein. Die Union lehnt dies ab, weil sie eine Vergemeinschaftung von Schulden befürchtet.
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