
Sie sollen im nächsten Jahr einmalig zusätzliche 1,5 Milliarden Euro erhalten – und zwar aus der Finanzreserve des Gesundheitsfonds, also aus Beitragsgeldern.
Mit dem Geld sollen die Kassen in erster Linie zusätzliche Ausgaben für Flüchtlinge finanzieren. Es handele sich um „einmalige Investitionen“, so Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), um „vorübergehende Mehrbelastungen“ der Kassen „im Zusammenhang mit der gesundheitlichen Versorgung von Asylberechtigten auszugleichen“.
Was so nebensächlich und selbstverständlich daherkommt, bringt Sozialverbände, Gewerkschaften und Grüne auf den Baum. Selbst die SPD ist inzwischen auf Distanz zu Gröhe gegangen, Fraktionsvize Karl Lauterbach bekennt: „Besser wäre es, das Geld aus dem Haushalt zu nehmen.“ Das aber scheiterte an Finanzminister Schäuble.
„Der Gesundheitsfonds darf nicht ausgeschlachtet werden“, schimpft Adolf Bauer, Präsident des Sozialverbands. Mehrausgaben für die Gesundheitsversorgung geflüchteter Menschen seien eine „gesamtgesellschaftliche Aufgabe“ und „zwingend aus Steuermitteln“ zu finanzieren. Auf eine „allgemeine Staatsaufgabe“ pocht auch DGB-Vorstand Annelie Buntenbach. Und die Grünen sprechen von einem Vergreifen am „Notgroschen“ der Beitragszahler und werfen der Union vor, sich auf „perfide“ Weise über den Wahltermin retten zu wollen.
Kritik, die auch Michael Lempe, Vorstand der hkk in Bremen, nachvollziehen kann. Und das, obwohl die Finanzspritze für die Kassen ihn doch eigentlich freuen sollte. Dem WESER-KURIER sagt Lempe: „Dieser Regierungsbeschluss ist aus unserer Sicht nur eine kurzfristige Umfinanzierung von Beitragsgeldern, um im Jahr der Bundestagswahl und wichtiger Landtagswahlen für Ruhe an der Beitragsfront der gesetzlichen Krankenversicherung zu sorgen.“ Schon 2018 würden, so der hkk-Chef, die Zusatzbeiträge wieder bei vielen Kassen steigen, weil die Beitragszahler steigende Behandlungskosten und die hohen Kosten der jüngsten Gesetzesreformen schultern müssten.
Das sieht auch Doris Pfeiffer so, Chefin des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen. Zwar begrüßt sie einerseits Gröhes Entscheidung, wirft der Bundesregierung aber wie Lempe vor, die Zusatzbeiträge der Kassen in die Höhe getrieben zu haben. Zudem fordert Pfeiffer, „statt kurzfristiger Einmaleffekte sollten klare Regeln definiert werden, wie das Geld im Gesundheitsfonds, das über die notwendige Reserve hinausgeht, an die Krankenkassen ausgezahlt wird“. Lempe stimmt zu: Die Mittel im Gesundheitsfonds hätten die Beitragszahler selbst eingezahlt. „Daher sind klare Regeln nötig, nach denen dieses Geld wieder an die Krankenkassen zurückfließt.“
Im Gesundheitsministerium versteht man die Kritik nicht. Es habe immer mal „Entnahmen aus dem Gesundheitsfonds“ gegeben, um die Kassen zu entlasten, sagt eine Sprecherin. Als Beispiel nennt sie die Abschaffung der Praxisgebühr 2014 – damals seien es 2,5 Milliarden Euro gewesen. Im Gesundheitsfonds seien derzeit „4,3 Milliarden Euro mehr drin, als es sein müssten“.
Und hinter einem anderen Gesetz versteckt habe man die Entscheidung auch nicht. Um den gesetzgeberischen Aufwand zu begrenzen, sei der Beschluss „an ein fast fertiges Gesetz gehängt“ worden. Omnibusverfahren nenne man das – eine ganz gebräuchliche Sache. Und so wird nun das umstrittene Gesetz 2017 in Kraft treten. Verhindern kann dies niemand mehr – der Bundesrat muss nicht zustimmen.
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