
In den sozialen Medien breiten sich Hass-Kommentare tausendfach aus. Dadurch offenbart sich, so Redakteur Milan Jaeger, das eigentliche Problem: Die Spaltung der Gesellschaft in Gewinner und Verlierer.
Die Verheißungen der sozialen Medien waren groß. Tatsächlich bringen sie Menschen zusammen, die im echten Leben nie miteinander sprechen würden. Sie erleichtern den Zugang zu Informationen und können dabei helfen, Unrecht zu bekämpfen. Jeder kann heute mit Menschen kommunizieren, die er im echten Leben noch nie gesehen hat und auch nie sehen wird. Es gibt mehr Informationen als jemals zuvor, die theoretisch jederzeit von jedermann abgerufen werden können. Und das Ganze hat ja auch eine emanzipatorische Dimension: Der Arabische Frühling und die grüne Bewegung im Iran wären ohne Twitter und Co. so nicht möglich gewesen.
Doch längst hat sich die Euphorie der Anfangszeit gelegt. Tausendfach breiten sich Hass-Kommentare auf den Plattformen aus. Auch Computerprogramme sind mit von der Partie. Ihre Fake-Profile erwecken den Anschein, echt zu sein. Tatsächlich werden sie aber von Computerprogrammen, sogenannten Bots, gefüttert. Die streuen die Meinung ihres Auftraggebers oder verbreiten gleich komplett gefälschte Berichte. Die Brexit-Macher und die US-Wahlkampfmanager beider Seiten haben sich sehr erfolgreich dieser Werkzeuge bedient.
Soziale Medien offenbaren Spaltung der Gesellschaft
Die Politik will nun Facebook – jetzt aber wirklich – in die Pflicht nehmen, damit das vermeintlich soziale Netzwerk schneller gegen Hass-Kommentare vorgeht. Facebook selbst hat angekündigt, das Melden falscher Nachrichten zu vereinfachen. Die Europäische Union hat kürzlich gemeinsam mit der „Zeit“-Stiftung ihre „Charta der Digitalen Grundrechte“ vorgestellt. Diese soll die Souveränität des Einzelnen in der digitalen Welt ebenso vor staatlicher Überwachung wie vor dem Zugriff von Konzernen schützen. Und seit Jahren tragen Adressaten des Hasses auf sogenannten Hate Slams Hasskommentare vor, die sie auf den sozialen Plattformen empfangen.
All dieses hektische Gehabe verstellt aber den Blick auf das wahre Problem: die Spaltung der Gesellschaft. Tatsächlich – und das offenbart der Hass in den sozialen Medien – teilt sich unsere Gesellschaft in Gewinner und Verlierer. In solche, die von der Entwicklung der vergangenen Jahre profitieren und solche, die das eben nicht tun. In solche, die Aufstiegsträume hegen können, und solche, die Abstiegsängste plagen. Natürlich gibt es auch solche, die Entwicklung der vergangenen Jahre einfach ablehnen. Ein Viertel der Beschäftigten in Deutschland verdient sein Geld im Niedriglohnsektor. In den USA und in Großbritannien ist die Spaltung noch krasser. In beiden Ländern hatten zuletzt Kampagnen mit gezielten Falschmeldungen Erfolg.
Als die sozialen Medien damit anfingen, die Menschen miteinander zu vernetzen, gab es diese Spaltung in Deutschland längst, und in den vergangenen zehn Jahren hat sie weiter zugenommen. Doch viele Politiker undJournalisten haben das nicht bemerkt oder wollten es nicht wahrhaben. Was außerhalb der eigenen Lebensrealität liegt, wird eben oft nicht wahrgenommen. Aber: Je mehr Verlierer eine Gesellschaft produziert, desto höher ist das Hasspotenzial auf die Gewinner. Auch in Deutschland ist die Zahl der Verlierer und derjenigen, die sich nicht gehört fühlen in den vergangenen Jahren konstant gestiegen.
Den Hass an der Wurzel bekämpfen
Die neuen Kommunikationswerkzeuge machen diese Spaltung erfahrbar. Eben weil jeder mit den Gedanken von Menschen konfrontiert ist, die er in der Kneipe allenfalls misstrauisch beäugen würde. Was soll schon dabei herauskommen, wenn sich Leute, die im echten Leben niemals miteinander ein Bier trinken würden, an den digitalen Stammtisch setzen? Wie sehr sich Lebensrealitäten voneinander unterscheiden, wird eben erst im Dialog spürbar.
Kürzlich besuchte Renate Künast von den Grünen einen Mann, der sie auf Facebook als „Gesindel“ beschimpft hatte. Der „Spiegel“ war dabei, und in dessen Artikel wird deutlich, dass bei der Begegnung Welten aufeinanderprallten. In Wirklichkeit war der Hass- Kommentator ein ziemlich harmloser Mann. Zurück blieb Ratlosigkeit.
Man kann niemandem absprechen, dass er oder sie sich durch Hasskommentare beleidigt fühlt. Es ist aber wohlfeil, sich über den Hass im Netz aufzuregen und es dabei zu belassen. Aber wie kann man den Hass bekämpfen? An seine Wurzeln muss man ran, wenn der Kampf erfolgreich sein soll. Man muss Bot-Programme abschalten und professionellen Verbreitern von Fake News das Handwerk legen. Nur: Das gelingt nicht mittels digitaler Chartas oder Hate Slams. Das klappt nur mit Technologie und mit mehr sozialer Gerechtigkeit.
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