
Bremen. Steht auf einem Produkt „Made in Germany“ vertrauen Käufer darauf, dass es sich um ein hochwertiges Produkt handelt. Ein Kennzeichen für Qualitätsware also? Ursprünglich nicht. Anfangs sollte die Kennzeichnung zum Boykott aufrufen.
Die Eltern einer Freundin wollten nach New York reisen – ohne ihre Tochter. Erstmals. Immerhin, sie versprachen ihr ein Souvenir. Toll, dachte sie, schließlich war alles, was in den 1990er Jahren aus den USA kam, cool. Fast alles. Denn ihre Eltern hatten ihr ausgerechnet das langweiligste Geschenk überhaupt ausgesucht: Eine Freiheitsstatue aus Plastik, liebloser Ramsch. Irgendetwas muss bei der Fertigung falsch gelaufen sein, das Gesicht war merkwürdig schief. Die Freiheitsstatue machte ein entrücktes Gesicht. Schlimmer noch: Sie kam gar nicht aus den USA, zumindest nicht, bevor sie, vermutlich containerweise, dahin verschifft wurde. „Made in Germany“ prangte auf ihrem Sockel.
Drei Worte sorgten für die große Enttäuschung eines jungen Mädchens. Dabei sollte „Made in Germany“ einem Produkt Qualität attestieren: Deutsche Produkte, so die Botschaft dieser Prägung, sind gute Produkte. „Das ist eigentlich verblüffend, denn es handelt sich ja nur um eine vage Herkunftsbezeichnung, die nur schwach reglementiert ist“, sagt Guido Möllering, Vertrauensforscher an der Jacobs University. Markenmanager können nur davon träumen, dass ihre Produkte im Kopf ihrer Kunden so eine psychologische Abkürzung nehmen würden, sagt Möllering – denn das Vertrauen in deutsche Qualitätsproduktion gilt für das ganze Land, für alle Branchen, für Hochleistungstechnologien genauso wie für hässliche Plastikfreiheitsstatuen.
Die Legende über billige Importwaren
Verblüffend ist auch, dass das Herkunftsland zuerst in Großbritannien angegeben wurde, um Käufer zu warnen: Vorsicht, das Produkt stammt nicht aus unserem Land! Damals, Mitte des 19. Jahrhunderts überschwemmten billige Importwaren den britischen Markt, der davor geschützt werden sollte, behauptet die Legende. Volkmar Herr von der Handelskammer Bremen hält die Vorschrift von damals aber eher für einen politischen Boykott. Und für einen Schuss, der nach hinten losging: „Deutsche Waren waren schon immer gut“, sagt Herr, „das haben dann auch schon die Briten gemerkt.“ Und konnten sie dank der Kennzeichnung auch gleich erkennen.
Heute sind Unternehmen nicht verpflichtet, das Herkunftsland ihres Produktes zu kennzeichnen. Nur dürfen sie ihre Kunden nicht täuschen, wenn sie etwas angeben, besagt das sogenannte Madrider Abkommen aus dem Jahr 1891. Eindeutig ist die Bezeichnung dennoch nicht: „Produktionsprozesse sind über die ganze Welt verteilt“, erklärt Herr. Um ein Land als Herkunftsland angeben zu dürfen, müssen Unternehmen nachweisen, dass der letzte wesentliche Be- und Verarbeitungsschritt dort stattfand. „Made in Germany“ könnte demnach auch „Überall auf der Welt produziert, die letzte wesentliche Verarbeitung aber in Deutschland vorgenommen“ heißen.
Die Europäische Kommission erwägt, Unternehmen zu verpflichten, das Herkunftsland ihrer Produkte anzugeben. Die Plastikfreiheitsstatue aber beweist: Die Herkunft allein macht aus einem Produkt noch lange kein gutes.
Diese Folge der "Frage der Woche" erscheint anlässlich der neuen WESER-KURIER Online-Serie "Made in Bremen", die am Dienstag gestartet ist. Egal, ob Kaffee, Schokolade oder Autos: Ab sofort stellen wir jede Woche ein Bremer Produkt und seinen Herstellungsweg im Video vor. Begleitende Texte beleuchten die Frage, was die jeweiligen Unternehmen in Bremen hält, Fotostrecken geben Einblicke in die Firmengeschichte. Den Anfang macht das Mercedes-Werk in Sebaldsbrück. Den vollständigen Beitrag finden Sie hier.
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Genau wegen dieser ...