
Eine Duftstoffallergie ist ein nachhaltiger Eingriff in den Alltag. Denn Düfte sind überall, und die Allergie lässt sich nicht behandeln. Der Bremer Hautarzt Professor Friedrich Bahmer sagt: „Eine Pollenallergie macht sich ein paar Wochen im Jahr bemerkbar. Eine Duftstoffallergie dagegen hat man zwölf Monate im Jahr, 24 Stunden am Tag und meistens für den Rest seines Lebens.“ Das gilt natürlich auch für eine Hausstauballergie. Doch es gibt einen Unterschied: Bei der Duftstoffallergie werden die allergieauslösenden Substanzen industriell hergestellt – und fast überall bedenkenlos verwendet.
Es gehe daher um die tägliche „Dauerbeduftung“, argumentiert auch der Bremer Hautarzt und Allergologe Dr. Andreas Degenhardt: „Duftstoffe sind nicht nur da, wo wir sie haben wollen, nämlich in der Kosmetik. Sie sind im Leder, damit Schuhe oder Taschen wertvoll riechen. Beim Bäcker verbreiten Duftlampen Brotgeruch. In den Büros werden Fußböden, Fenster und Toiletten mit duftenden Reinigungsmitteln geputzt.“ Bahmer spricht von einer „Duftstoff-Umweltverschmutzung größten Ausmaßes.“
Häufiger Kontakt ist entscheidend
Geraniol, Citronellol, Lyral, Linalool und Zimtaldehyd heißen einige der häufig verwendeten Stoffe, und sie riechen nach Zitrone und Maiglöckchen. Nach Angaben des Deutschen Allergie- und Asthmabundes (DAAB) sind mittlerweile 15 Prozent der Bevölkerung mit unterschiedlich ausgeprägten Symptomen von einer Duftstoffallergie betroffen.
Der Vormarsch der Duftstoffallergie hängt damit zusammen, dass Duftstoffe heute in großen Mengen hergestellt werden können, sagt Bahmer: „Je länger man mit den Stoffen in Kontakt kommt, desto wahrscheinlicher ist es, dass sich eines Tages eine Allergie entwickelt.“ Während Duftstoffe früher aus Naturprodukten hergestellt wurden und deshalb sehr teuer waren, seien sie heute durch die synthetische Herstellung in großen Mengen verfügbar. Entscheidend für die Entwicklung einer Allergie sei aber nicht die Herkunft. Auch natürliche Stoffe können die Beschwerden auslösen. Es ist der häufige Kontakt, der irgendwann zum Ausbruch der Allergie führen kann.
Die Duftstoffallergie ist eine sogenannte Typ-IV-Allergie. Anders als bei einer Typ-I-Allergie – zum Beispiel ausgelöst durch Insektengift – kann es nicht zu einem lebensbedrohlichen allergischen Schock kommen. „Die Kontaktallergie entwickelt sich ohne Vorankündigung, tritt meistens plötzlich in voller Ausprägung auf“, beschreibt Degenhardt. „Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer. Eine Therapie gibt es nicht, lediglich die Symptome können durch Kortison oder Salben mit anti-entzündlichen Stoffen wie Tacrolimus unterdrückt werden.“
Die Bremerin Annette Wohlers ist seit einem halben Jahr Duftstoffallergikerin. Mittlerweile hat sie alle Produkte mit Duftstoffen entsorgt, vom Spülmittel bis zu Hygieneartikeln. Die Wäsche wird mit duftstofffreiem Waschpulver gewaschen. Handtücher, die sie noch mit duftendem Pulver gewaschen hatte, verursachten sofort kleine Stiche auf der Gesichtshaut und später dicke, rote Quaddeln.
Cremes, Duschgel, Shampoo und Make-up kauft Annette Wohlers in der Apotheke und benutzt Vaseline an kalten Tagen als günstige Pflege. Eine duftstofffreie Zahnpasta hat sie noch nicht gefunden. Die halblangen Haare frisiert die 45-Jährige mit Glätteisen und Lockenwicklern, weil das Parfüm aus dem Haarspray über die Haare auf den Augen landet. Dann werden die Lider rot und schorfig. Die Symptome halten mehrere Tage an.
Auch die 52-jährige Angelika Lüpkes aus Norden ist betroffen und fühlt sich oft unverstanden: „Viele sagen: Stell dich nicht so an.“ Tränende Augen, Kopfschmerzen, geschwollene Haut waren bei ihr die Symptome. Lange Zeit nahm sie viel Kortison und wollte den eigentlichen Auslöser nicht wahrhaben. Jetzt hat sie alle duftenden Produkte aus dem Haushalt verbannt. Parfümwolken weicht Angelika Lüpkes aus. Auch ihr Mann benutzt im gemeinsamen Badezimmer ausschließlich Produkte ohne Duft. „Zumindest in Pflegemitteln für Babys sollten Duftstoffe verboten werden“, fordert sie.
Bremer Hautarzt fordert Verbot
Doch wie kann man einer Duftstoffallergie vorbeugen? „Die Werbung für Düfte, Deos und Waschmittel ist sehr überzeugend gemacht“, sagt Bahmer. „Aber ich kann allen nur raten: Benutzen Sie so wenig Produkte mit Duftstoffen wie möglich.“
Der Hautarzt argumentiert: „Wenn eines Tages in den USA jemand einen millionenschweren Schadensersatz erstreitet, weil er durch bestimmte Produkte eine Duftstoffallergie bekommen hat, werden Industrie und Öffentlichkeit sensibilisiert.“ Dann wäre vielleicht denkbar, dass Duftstoffe genauso wie Zigarettenrauch aus bestimmten Bereichen des öffentlichen Lebens verbannt würden. In Schweden gibt es laut des Internet-Forums „Chemical Sensitivity Network“ bereits Krankenhäuser, in denen Duftstoffe verboten sind.
In Deutschland, so Bahmer, habe die Politik bisher kein Interesse an dem Thema, obwohl es gravierende Folgen bis hin zur Berufsunfähigkeit gebe: „Es kann nicht unwidersprochen bleiben, wenn Dinge des täglichen Lebens und im öffentlichen Raum gesundheitsschädigend sind“, sagt der Bremer Hautarzt.
n Vielen fällt es schwer, sich von wirklich allen Produkten mit Duft zu trennen, weil diese meist durch Werbung positiv besetzt sind. Doch das ist auf Dauer unumgänglich. Wichtig ist dabei auch, dass der Partner mitzieht. Sonst geraten die Duftstoffe über Cremes wieder auf die Haut des Allergikers und insbesondere auch auf die empfindliche Haut um Mund und Augen. Was viele nicht wissen: Naturkosmetik ist für Allergiker keine Alternative, auch sie enthält oft Duftstoffe. Auch wenn die Düfte natürlichen Ursprungs sind, reagieren Allergiker häufig darauf. Cremes, Shampoo, Seife, Sonnenschutz und dekorative Kosmetik erhält man in der Apotheke. Reinigungsmittel für den Haushalt bekommt man bereits in gut sortierten Supermärkten oder aus dem Internet. Betroffene, die nicht darauf verzichten möchten, ihre Haare zu stylen, greifen am besten auf Heizlockenwickler und Glätteisen zurück. In Geschäften für Friseurbedarf gibt es beispielsweise auch Haarspray ohne Parfüm. Wer auf Nagellack nicht verzichten möchte, kann als Entferner reines Aceton aus der Apotheke verwenden. Schwierig wird es bei Zahnpasta. Man kann auf Zahnsalz zurückgreifen, dass man in der Apotheke oder im Internet bestellen kann. Auch einige von der Stiftung Warentest untersuchte Zahnpasten sind für Allergiker geeignet, etwa von Billig-Discountern. Hier muss jeder selbst herausfinden, welche Zahnpasta geeignet ist. (cot)
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