
„Wozu und warum Wiedergutmachung?“ Hans-Gerhard Schmidt stellte im Rahmenprogramm der Ausstellung „Ausplündern und Verwalten“ im Haus des Reichs die Frage und gab die Antwort: „Zuerst einmal ist der Begriff Wiedergutmachung unglücklich gewählt, Entschädigung drückt es besser aus“, so der Wissenschaftler. Er schrieb seine Doktorarbeit über Entschädigung für NS-Verfolgte.
Denn in den Entschädigungsverfahren hätten die Finanzämter versucht, Schäden an Leben, Besitztümern, Gesundheit, Freiheit oder beruflichem Fortkommen zu berechnen. „Es geht nicht um das Leid, nicht um den Verlust eines geliebten Menschen, sondern es geht um den ökonomisierbaren Schaden“, sagte Schmidt. So seien bei der Ermordung eines Familienmitgliedes etwa verlorene Unterhaltsansprüche als Entschädigung vorgesehen gewesen oder Schäden in der eigenen Gesundheit als Minderung der Erwerbsfähigkeit vergütet worden.
„Das war der Versuch, Lebensgeschichten in ökonomisch-rechtliche Kategorien umzuwandeln“, erläuterte der Wissenschaftler. An einigen Stellen des Vortrags stöhnten Zuhörer oder schüttelten den Kopf, weil sie kaum fassen konnten, was sie hörten. „Laut Bundesfinanzministerium gab es 4 384 138 Entschädigungsanträge. In Bremen haben 8050 Personen Entschädigung beantragt“, sagte Schmidt. Dabei seien vor allem für sogenannte „biografische Schäden“ – der Ausdruck für Leiden vieler Art – bis 1965 rund 47 Milliarden Euro bundesweit ausgezahlt worden.
Dabei sei der Weg zur Entschädigung nicht einfach gewesen: „Viele mussten sich für das Verfahren einen Anwalt nehmen. Für die Verfolgten war das ein unglaublich zähes Ringen als Verfolgte anerkannt zu werden, weil sie in der juristischen Spur waren.“
Unter anderem staunten die Zuhörerinnen und Zuhörer über die Präzisierung des Begriffs „Haft“. „War das Ghetto eingemauert? War ein Zaun drum herum, war daran Stacheldraht? War der Zaun bewacht? Solche Diskussionen gingen manchmal über Jahre“, beschrieb Hans-Gerhard Schmidt das Ringen der Verfolgten um Entschädigung. Auch über die Frage, wo der Widerstand gegen das Regime angefangen habe, habe es Diskussionen gegeben, etwa über Kriegsdienstverweigerer, die inhaftiert worden waren.
Auf die Kosten zu achten, sei ein Charakterzug der 1950er-Jahre gewesen, sagte Schmidt. „Gewisse Finanzleute waren besorgt, dass es zu teuer werden würde, und wollten dabei nicht mitmachen. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass die in Ohnmacht gefallen wären, wenn sie in den 50er-Jahren gewusst hätten, was da am Ende bezahlt werden würde“, sagte Schmidt. Viele Entschädigte hätten ihre Zahlungen monatlich als Rente bis zum Lebensende bekommen, gekoppelt an die deutschen Beamtengehälter – so sollte von Anfang an die Inflation ausgeglichen werden.
Die Ausstellung „Ausplündern und Verwalten – Das Finanzamt Bremen stellt sich seiner NS-Vergangenheit“ im Haus des Reichs (Finanzamt) am Rudolf-Hilferding-Platz ist noch bis zum 31. März geöffnet. Der Eintritt ist frei. Weitere Informationen zu Programm und Ausstellung finden sich im Internet unter www.finanzen.bremen.de.
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