
Man sagt, das Leben sei kein Zuckerschlecken? Oh doch, befindet der junge Autor Leif Randt in seinem Roman „Schimmernder Dunst über Cobycounty“. Anhand einer übersättigten Clique von Wohlstandskindern betreibt er darin eine Zeit-Diagnose der leisen Art. Und auch in der Bühnen-Adaption, die das Bremer Schauspiel nun im Kleinen Haus zur Premiere brachte, präsentiert sich die hier vorgestellte Gesellschaft als ebenso pappsatt wie gelackt.
Es ist ein Leben auf der Standspur, das der Regisseur Felix Rothenhäusler zu diesem Zweck eingerichtet hat. Erneut benutzt er eine Technik des szenischen Ausdünnens und Weglassens, wie er sie zuletzt in seiner „Räuber“-Version nach Schiller erprobt hatte. Allerdings scheint die schöne neue Welt von „Cobycounty“ einem hiesigen Publikum noch völlig unbekannt zu sein, sodass sich auch kaum abschätzen lässt, aus welchem textlichen Ungetüm der Regisseur hier eine Art Gerippe herausgeschnitzt hat.
Menschen ohne rechten Antrieb
Klar ist: Auf der Bühne, die von Evi Bauer mit einem irrlichternden Glitzersand bestreut wurde, geschieht über quälend lang sich dahinziehende Momente nichts. Man feiert eine Party ohne Musik – ein seltsam stilles Fest, das von einer achselzuckenden Ratlosigkeit überwölbt wird. Immer treten leger gekleidete junge Menschen auf, ohne rechten Antrieb oder szenischen Zusammenhang, sie stellen sich mal hierhin, mal dorthin. Platz ist genug. Man gibt sich ausgesprochen latschig; mit den riesigen, bunten Turnschuhen, die einige tragen, kann man auf dem Gummisand interessante Geräusche machen. Und sonst so?
Küsschen hier, Nippen am Kaffeebecher dort. Verlegenes Grinsen. Was ist angesagt? – Man weiß es nicht. Vollends haarsträubend wirkt dieses ereignisarme Setting, wenn sich nach einigen akkurat vollzogenen Stellungswechseln die Figuren zu ein paar Mümmelworten durchringen. Dann lassen sich die Rudimente einer Geschichte ausmachen, die sich um einen jungen Mann namens Wim dreht: Wim wird gespielt vom eigentlich 25 Jahre alten Justus Ritter, der hier aber wie ein veritabler, schlaksiger Teenager herumsteht. Wim, das ist ein Typ wie eine Saftschorle, er scheint eine Art von personifiziertem Nichts zu verkörpern. Ein überforderter Traumwandler, dem jedes authentische Gefühl fremd ist.
Obwohl er als Literaturagent ein glückliches Leben führen müsste, gerät ihm alles etwas daneben. In symptomatischer Unbeholfenheit wird selbst Sex mit seiner „talentierten Freundin“ (Karin Enzler) zur lächerlichen Hampelnummer, später, als er eine Orgel kaufen will, versteht er auch die Sprache der Musik nicht. Sein indigniertes Herumstehen auf Partys führt ausschließlich zu kulinarischen Ergebnissen. In den nur 90 Minuten der Aufführung konsumiert er: Sahnetörtchen, Croissants, eine Pizza, Kekse und diverse Cocktails. Sein Drama findet nicht statt.
Wenn Wim aus seinem von Sahne verschmierten Mund spricht, scheint das eine Verlegenheitslösung zu sein. Input gut, Output so lala. Seine Beziehungen zur Umwelt sind hartnäckig unter einer Art transzendenter Zuckerwatte verkrustet. Nur widerwillig lassen sich ein paar ungelenke Gespräche mit dem Vater, einem künstlerischen Erfolgsmenschen (Guido Gallmann), oder dem Chef an der Cafébar (wiederum derselbe) abtrotzen. Wie überhaupt hinter der Bühne angesichts der vielen Kostümwechsel vermutlich wesentlich mehr los sein dürfte, als auf der eigentlichen Spielfläche. Dort setzt Ruhe und eine sonderbar geistlose Erhabenheit ein.
So poliert die Inszenierung hingebungsvoll an einer zum Programm erhobenen Oberflächlichkeit – bei der übrigens sogar ein echtes Einhorn mittraben darf. Die Welt ist Fantasy, eine bunte Fassade, ohne die sinnstiftende Kraft des Wortes. Wie jene Sprechhülsen, die an einigen Momenten ein fischglatter Bürgermeister (Siegfried Maschek) in diese glitzernde Wüste ruft. Irgendwie sind in Cobycounty nämlich nicht nur alle reich und glücklich, vom Sonnenbrand verstrahlt, zudem scheinen sie auch einen relativ sinnlosen Wahlkampf zu betreiben... .
An solchen Momenten lugt tatsächlich das gesellschaftskritische Konzept der Veranstaltung ein wenig hervor. Dessen Vermittlung ist jedoch immerfort von der kolossalen Ödnis im eigentlichen Spiel bedroht. Wenn Wim und Co. minutenlang an ihren Zuckerschnitten kauen, erfasst auch das Publikum eine fatale Pausenstimmung. Dass diese so seltsam stille Premiere am Ende dann doch noch mit großem Gejohle vom Publikum belohnt und beendet wurde, mag an einer kleinen, aber stimmstarken Anhängerschaft gelegen haben, die dem eisigen Geschehen auf der Bühne einen wohltuenden Kontrapunkt schenken wollte.
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