
„Dort befand sich früher eine Gerichtsstätte. Johann Bornemacher wurde am Lugenstein zum Tode auf dem Scheiterhaufen verurteilt“, erzählen die beiden Expertinnen für Stadtgeschichte. Der Mückenschiss ist Teil der besonderen Stadtführungen, die Sabine Lühning und Karin Köster anlässlich der Verdener Domfestspiele anbieten. „Wir führen die Teilnehmer ab Mitte Juli zu den Original-Schauplätzen, die im Stück ,Der brennende Mönch‘ vorkommen“, freuen sich Verdenerinnen auf viele Spaziergänger. Es sei einfach faszinierend, dass die Orte auch gut 500 Jahre nach Bornemachers Ableben noch immer fest im Stadtleben verankert seien.
„Der Bischof soll weg, der Bischof soll weg. Lasst Bornemacher frei“, skandierten die Massen einst am Lugenstein. Ja, es stimme, der Mückenschiss sei gleich doppelter Tatort gewesen, erläutert Karin Köster: „Vor Bornemachers Verurteilung gab es dort erst noch einen Aufruhr, bei dem die Verdener lautstark ihren Unmut über Bischof Christoph äußerten.“ Dem erzkonservativen katholischen Geistlichen war nämlich die Reformation ein Dorn im Auge. „Er wollte einfach nichts Neues zulassen und in Verden ein katholisches Bollwerk errichten“, hat Karin Köster bei den Vorbereitungen für ihre Stadtführungen recherchiert. Christoph wollte also mit aller Vehemenz an Verdens Status als „katholische Insel“ festhalten und das, obwohl im Umland bereits längst der Protestantismus Einzug gehalten hatte. Zwischen 2010 und 2011 haben sich die Verdenerinnen Sabine Lühning und Karin Köster bei der Kreisvolkshochschule (KVHS) Verden zur Stadtführerin ausbilden lassen, sensibilisieren seitdem ganze Besucherscharen für die Schönheiten der Aller-, Dom- und Reiterstadt. Die Reformationszeit, in der das aktuelle Festspielstück spielt, ist sowieso ein Steckenpferd von Karin Köster, auch Sabine Lühning weiß um den Charme der damaligen Zeit.
Im Dom angekommen, bleibt sie am Gemälde von Bischof Christoph (1502-1558) stehen, skizziert dort kurzerhand eine der Schlüsselszenen aus „Der brennende Mönch“: „Der Mönch Johann Bornemacher befand sich auf dem Weg von der Lutherstadt Wittenberg in die Bremer Remberti-Kirche. Am 8. Dezember 1525, dem katholischen Hochfest Mariä Empfängnis, machte er Zwischenstation in Verden, lauschte im von Kerzen erleuchteten Kirchenschiff den Worten von Domprediger Johann Dinkschlag. Plötzlich gab es für Bornemacher einfach kein Halten mehr. Er sprang auf und predigte vor dem erstaunten Verdener Volk von der Herrlichkeit der neuen Lehre.“ Natürlich sehr zum Missfallen von Domprediger Dinkschlag und Bischof Christoph von Verden. Die geschichtsversierte Sabine Lühning charakterisiert Johann Dinkschlag als „verschlagenen, unmoralischen Mann, der diebischen Handlungen durchaus nicht abgeneigt war – sogar des Öfteren Kirchengeld veruntreute.“ Durch den Kauf von Ablass-Briefen konnten sich die Verdener zur damaligen Zeit nämlich von ihren Sünden frei kaufen.
Bornemacher, der wusste, mit welchen Konsequenzen er nach seiner mutigen Predigt zu rechnen hatte, riss also die Domtür auf, floh von der Süderstadt in Richtung Norderstadt. Bischof Christoph, Feind der Reformation, gab daraufhin folgenden Befehl: Bornemacher soll verhaftet werden. „Er wurde im Neuen Tor an der Grüne Straße eingesperrt. Scharfrichter Klövekorn verhörte ihn dort, ließ in foltern. Seinen Tod fand der Mönch 1526 auf dem Scheiterhaufen am Verdener Burgberg“, erzählen die beiden Stadtführerinneren. Sabine Lühning schiebt noch eine traurige Begebenheit hinterher: „Damit die Flammen richtig loderten, wurde sogar noch Reisig geholt.“ Übrigens: Bei der Bornemacherstraße im Verdener Burgbergviertel handelt es sich den Stadtführerinnen zufolge um keinen Original-Schauplatz der Geschehnisse von einst. Als bigott, als scheinheilig, würde man den Lebensstil von Bischof Christoph wohl heute bezeichnen. Der geborene Welfen-Prinz tat nach Aussage von Sabine Lühning nämlich immer nur so fromm, dabei hatte er es ihren Erzählungen nach faustdick hinter den Ohren: Stichwort Konkubinen. „Im Dormitorium, dem Schlafhaus der nach außen sittlich lebenden Verdener Geistlichkeit, ging es hinter verschlossenen Türen richtig zur Sache“, erzählt Sabine Lühning. Der Sarkophag im Verdener Dom erinnere noch heute an den 1558 auf Reisen gestorbenen Bischof (Blutsturz). An den hoch herrschaftlichen Häusern derer von Mandesloh angelangt, heben Sabine Lühning und Karin Köster die Bedeutung der vier Brüder (allesamt Domherren) für Verden hervor: „Unter anderem ließen sie auch zwei Domglocken für die Kathedrale St. Maria und Cäcilia gießen.“ Wo steht die denn? Etwa in der Lutherstadt Wittenberg? Weit gefehlt – in Verden. So lautet nämlich der offizielle Name für den Dom. „Maria ist die Mutter Gottes und Cäcilia die Schutzpatronin der Kirchenmusiker“, klärt Karin Köster auf.
Was es mit dem geheimnisvollen Gasanschlag zu tun hat, erfahren die Teilnehmer bei den Stadtführungen zu den Original-Schauplätzen der Domfestspiele. Die Führungen beginnen am 14., 15., 21., 22., 28. und 29. Juli jeweils um 17 Uhr. Karten sind bei der Verdener Tourist-Information (Telefon 0 42 31 / 1 23 45) erhältlich.
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