
Die Zinsen für Sparanlagen sinken seit Jahren, und doch parken die Deutschen knapp 500 Milliarden Euro auf Tagesgeldkonten. Woher kommt das?
Christian Nolting: Die Deutschen haben schon immer eine sehr hohe Sparquote. In Deutschland gibt es eine andere Risikobereitschaft als zum Beispiel in Asien. Das ist historisch erklärbar: Das Vermögen, das in vielen asiatischen Ländern erwirtschaftet wurde und wird, ist überwiegend in der Hand der ersten und zweiten Unternehmergeneration. Denn wer ein neues Unternehmen gründet, geht auch zwangsläufig ein Risiko ein. In Europa wurde viel Vermögen über längere Zeiträume erworben, und es wird entsprechend auch anders verwaltet.
Und die kleinen Sparer? Die bunkern ihr Geld ja ebenfalls auf den Sparbüchern und Tagesgeldkonten.
Die Deutschen haben in den großen Wirtschaftskrisen zweimal viel Geld verloren. Das ist eine Erinnerung, die noch heute dazu führt, dass Kunden ihr Geld sehr sicher anlegen möchten. Die meisten wollen es auf einem Konto verwahren, anstatt es risikoreich zu investieren. Dabei werfen Aktien in der Regel höhere Erträge ab, auch wenn das mit stärkeren Schwankungen verbunden ist. Dabei sollte der Anleger den Nerv haben, diese Schwankungen auszuhalten. Diese Mentalität ist bei vielen aber einfach nicht vorhanden.
Wird es irgendwann noch ein Umdenken geben?
Das hoffe ich! Wir als Bank können helfen, indem wir mit dem Kunden über den Faktor Risiko sprechen. Der Erfolg einer Kapitalanlage ist für mich ein Ergebnis des eingegangenen Risikos. Und das kann der Kunde selbst bestimmen. Ich kann mir vorstellen, dass sich diese Diskussion noch verstärken wird. Wir sehen, dass Anleger mit uns wesentlich intensiver über Risiko sprechen. Dafür müssen mögliche Kapitalanlagen langfristig beobachtet und überprüft werden. Und das ist unser täglich Brot.
Gerade mit Aktien hätte man in den letzten Jahren viel Geld verdienen können, der Dax hat sich in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt – und trotzdem investieren nur wenige.
Aktien sind risikoreicher als Sparbücher oder Rentenpapiere. Viele Kunden wollen günstige Marktverhältnisse vor entsprechenden Investitionen abwarten – damit verzögern sich aber Investitionen auf unbestimmte Zeit. Deshalb ist langfristige Vermögensplanung so wichtig. Außerdem gibt es auch Chancen und Themen, die sich nicht im Dax widerspiegeln. Wir wollen besonders Kunden ermutigen, nicht nur zu Hause zu investieren, sondern auch global.
Wie reagieren Sie auf Sparer, die die aktuelle Situation schlichtweg aussitzen wollen und ihr Geld auf Tagesgeldkonten belassen?
Es ist wichtig, auf Marktverhältnisse zu reagieren. Wenn der Sparer das Geld von seinem Sparbuch nimmt und dann in den Kapitalmarkt steckt, muss das damit zusammenhängende Risiko klar sein. Risikotoleranz ist aber immer vom Alter, der Vermögenssituation und der Lebensplanung der Kunden abhängig.
Haben jüngere Generationen denn ein anderes Anlageverhalten?
Nicht unbedingt. Das Verhältnis zu Banken ist natürlich in Zeiten der Digitalisierung ein anderes – viele sogenannte Millenials verwalten ihr Geld online. Den Kontakt zu einem Anlageberater suchen sie aber weiterhin, auch wenn sie andere Erwartungen haben. Früher war der Anlageberater ein Begleiter durchs ganze Leben, heute ist das Verhältnis sachbezogener. Kompetenz und der Zugriff auf Spezialisten sind gefordert. Für die junge Generation ist Wissen mit einem Klick verfügbar – da müssen die Berater mithalten können.
Immobilien gelten als sichere Anlagemöglichkeit – dennoch diskutieren Experten in einigen Städten schon eine mögliche Immobilienblase. Auch in Bremen ziehen die Preise an. Sollten die Verbraucher von diesen Investitionen Abstand nehmen?
In einigen Standorten in Deutschland ist es noch interessant, in Immobilien zu investieren. Wir können uns vorstellen, dass weitere Preissteigerungen erfolgen. Wir sehen allerdings nicht, dass es im Moment eine Blase gibt. Denn Preiserhöhungen wie in den Ländern, die eine solche Blase schon hatten, sind in Deutschland derzeit noch nicht zu beobachten. Die Verkaufsgeschwindigkeit beziehungsweise Umsatzhäufigkeit, die es in anderen Ländern gibt, ist in Deutschland wegen der regulatorischen Bestimmung gar nicht möglich.
Eine schnelle Zinswende ist laut der EZB nicht in Sicht. Worauf müssen sich Unternehmen und Verbraucher einstellen?
In Europa dürften sich die Zinsen voraussichtlich für einen längeren Zeitraum nicht substanziell ändern. Lediglich die US-Notenbank, die Fed, macht aktuell weitere Zinsschritte. Damit geht die Niedrigzinspolitik in den USA zu Ende. In Europa wird es noch länger dauern, auch, weil die EZB in einem anderen volkswirtschaftlichen Umfeld als die Fed agiert. Aber auch bei der EZB hier wird es weiterhin zumindest Diskussionen geben, wie mit dem aktuellen, extremen Niedrigzinsumfeld umgegangen werden kann.
Dabei spielen die weltweiten politischen Entwicklungen eine immer größere Rolle in Bezug auf den Finanzmarkt.
Das vergangene Jahr hat einige drastische politische Veränderungen mit sich gebracht. Unvorhersehbare Wahlergebnisse sorgen bei Anlegern immer für Aufmerksamkeit. Bei den anstehenden Wahlen in Frankreich und Deutschland gibt es deshalb ein immer größeres Interesse, welchen Einfluss die Ergebnisse für den Markt haben könnten. Besonders bei der Wahl in Frankreich sind die unterschiedlichen Szenarien über ihren Ausgang und mit ebenso unterschiedlichen Entwicklungen für die Märkte verbunden.
Das Gespräch führte Lisa-Maria Röhling.
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