
Und wir wurden am 11. März 2004 unfreiwillig Zeugen des größten Terroranschlags Spaniens. Ich weiß es noch, als ob es gestern gewesen wäre.
Gegen kurz vor acht Uhr klingelte mich meine französische Mitbewohnerin per Telefon aus dem Bett. Sie hatte bei einer Freundin übernachtet und wollte wissen, ob es mir gut geht. Im Fernseher sah ich die ersten Bilder von Nahverkehrszügen, in denen ich auch schon gesessen hatte – die sogenannten Cercanías. Innerhalb von drei Minuten hatten am Morgen gegen 7.40 Uhr zehn Sprengsätze große Löcher in vier Züge gerissen. Die Frage war direkt, ob es ein Anschlag der baskischen Separatistenorganisation Eta war oder der erste Anschlag Spaniens mit islamistischem Hintergrund. Spanien hatte sich am Irakkrieg beteiligt, auch wenn das Volk mehrheitlich dagegen war.
Doch für weitere Gedanken war keine Zeit. Mit Handy und Kamera ging ich los. Die U-Bahn hatte ihren Betrieb eingestellt. Ich lief die gut fünf Kilometer zu Fuß an den zentralen Platz Madrids, den Puerta del Sol. Auf dem Weg dorthin an jeder Ecke Polizisten. Als ich nach gut einer Stunde dort ankam, ein erstes unglaubliches Bild: Am Blutspendebus vom Roten Kreuz, der dort jeden Tag stand, hatte sich bereits eine Schlange von einigen hundert Metern quer über den Platz gebildet. In der Schlange sah ich auch einige Erasmus-Studenten, die ich kannte. Sie erzählten mir später, dass sie drei Stunden gewartet hätten – das sei ihnen aber egal gewesen. Denn stündlich stieg die Zahl der Toten und der zum Teil Schwerverletzten.
Von dort lief ich noch eine weitere halbe Stunde und war schließlich am Bahnhof Atocha, wo vor der Fahrt hinein die Züge standen. Als junger Journalist funktionierte ich einfach nur. Ich schloss mich einem spanischen Kamerateam an, mit dem ich in die oberste Etage eines Wohnhauses direkt am Bahnhof ging, um von dort Fotos zu machen. Es waren auch genau die Anwohner, die sofort nach den Explosionen den Opfern mit dem halfen, was sie gerade da hatten: Decken, Bettlaken und Verbandsmaterial.
Am Abend fuhren die U-Bahnen wieder und wir mit ihnen, weil wir uns damals sagten: „Keiner schreibt uns vor, wie wir zu leben haben.“ Am Tag darauf liefen wir auch abends bei der größten Demonstration mit, die Madrid jemals gesehen hatte. Es regnete in Strömen – aber das war uns egal. Zusammen mit den Spaniern riefen wir Erasmus-Studenten übersetzt „Wir fuhren alle in diesem Zug“. Und: „Wir sind hier nicht komplett – es fehlen 200.“ Denn knapp 200 Menschen wurden bei diesen Al-Kaida-Anschlägen getötet. Ganz Spanien war an diesem Abend auf den Beinen – auch in Barcelona. Die Solidarität und das Miteinander damals werde ich nie vergessen. Im Madrider Park Retiro erinnern noch heute 191 Bäume an die Opfer des Anschlags. Und am Platz Puerta del Sol hängt noch heute eine Gedenkplatte neben dem Eingang vom Sitz des Regions-Ministerpräsidenten. Dort steht übersetzt: „Möge die Erinnerung an die Opfer und der beispielhafte Zusammenhalt der Bürger Madrids für immer bleiben!“ Bei mir für immer – siempre con España!
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