
u k.- Monarchie Österreich-Ungarn. Wien galt zugleich als Zeitungsmetropole, in der man alle Nachrichten Europas erfahren konnte. Zentrum der Journale waren die Kaffeehäuser. Nicht ohne Stolz verkündete die Wiener Zeitung im Jahr 1826: „Gegenwärtig gibt es in unserer Stadt 84 Kaffehhäuser. Sie sind vom frühen Morgen bis gegen Mitternacht offen. Man bekommt daselbst Kaffeh, Thee, Chocolate, Punsch, Limonade und Liqueurs. Für Liebhaber von Neuigkeiten sind die bekanntesten erlaubten deutschen, französischen, italienischen und englischen Zeitungen vorhanden.“
Für viele Wiener war das Kaffeehaus die zweite Wohnstube. Man hatte es dort warm und sparte das Geld für Talglichter. Bei einem Kaffee oder einer Schokolade las sich der geneigte Leser durch alle verfügbaren Journale. Caféhausmusik gab‘s kostenlos dazu. Sogar sonntags durfte auf „Allerhöchste Order“ Frühstück serviert und Zeitung gelesen werden – „Musik allerdings darf unter keinem Vorwande vor 6 Uhr nachmittags beginnen.“
Für heutige Leser ist es interessant, über historische Persönlichkeiten und Ereignisse zu lesen. So schrieb ein Kritiker über den weltberühmten Geiger Paganini nach einem Konzert im Hoftheater: „Paganini ist das unter den Geigern, was Napoleon unter den Feldherrn Europas war. Paganini ist 46 Jahre alt, schlank, von mittlerer Größe, hat ein sehr bleiches, mageres Gesicht, lange Nase, schwarze Haare, welche weit herabhangen und überhaupt ein nicht empfehlenswertes Äußeres.“
Über eine Fantasie von Franz Schubert mokierte sich ein Rezensent: „Die Fantasie dehnte sich etwas zu lang über die Zeit aus, die der Wiener den geistigen Genüssen widmen will. Der Saal wurde allmählich leerer, und auch Referent gesteht, daß auch er von dem Ausgang diese Stückes nichts zu sagen weiß.“ Dagegen steht das Urteil eines Musikkenners: „Schubert sorgt unablässig für die Festigung seines Ruhmes als Liedercomponist. Er verdient ihn auch im vollsten Maße. Seine Compositionen besitzen Originalität, Wahrheit, Charakter und Gefühl. Da ist keine Note unnütz.“
Wer es gern etwas derber liebte, delektierte sich an der ausführlichen Schilderung einer Hinrichtung. Zur geistigen Stärkung orderte der Leser zunächst noch einen „Schlagobers“ und eine Zigarre. Dann las er: „Am Richtplatze, wo bey 50 Tausend Menschen versammelt waren, stieg der Raubmörder Graf Severin von J., ohne zu wanken vom Wagen, schlug gegen diesen sein Wasser ab und betrachtete, ohne seine Miene zu verändern den Galgen. Als der Scharfrichter sich ihm näherte und ihn mit der gewöhnlichen Formel um Verzeihung bitten wollte, fiel ihm der Graf in die Rede: ,Schon gut, thu er seine Schuldigkeit.‘ Man zog ihn mittels einer Maschine zum Galgen hinauf und seine letzten Worte waren: ,Ich scheiß auf die Welt und auf euren Kaiser!‘ Wie er diese ruchlosen Worte wiederholen wollte – es war acht einviertel Uhr – stieß ihm der Henker das Genick ab.“
Nicht selten erfuhr der Leser, wie streng die Zensur zugreifen konnte. Am 13. Februar 1816 vermerkt die Wiener Zeitung: „Die Fortsetzung der in Coblenz ausgegebenen Zeitschrift ,Der Rheinische Merkur‘ ist auf Allerhöchsten Befehl für die Zukunft untersagt worden, weil der Verfasser sich öfter gegen auswärtige Höfe und Regierungen anstößige und beleidigende Äußerungen erlaubt hat.“
Im Juni 1816 erfuhr der Kaffeehausleser: „Der Mercure Surveillant zu Lüttich hatte einige anzügliche Artikel gegen die zwischen Österreich, Rußland und Preußen abgeschlossene heilige Allianz aufgenommen, weßhalb der Herausgeber vor dem dortigen Zuchtpolizeygerichte angeklagt und zu monatlichem Gefängnisse und 100 Franken Geldstrafe verurteilt wurde.“
Schlank an der Zensur vorbei notierte die Wiener Zeitung am 17. Juni 1817: „Am 22. März wurde der Bey von Algier von seinem Koch vergiftet, an dessen Stelle trat dessen erster Minister, welcher am 27. April stranguliert und hierauf der Aga Omar zum Bey ausgerufen wurde“.
Großzügig zeigte sich laut der Lektüre der Herzog von Nassau, „der wegen einer missratenen Weinernte den Bewohnern die Steuern nachgelassen. Auf mehrere Vorstellungen an denselben, „daß wilde Schweine großen Schaden an den Feldern anrichten, hat der Herzog befohlen, dieselben niederzuschießen.“
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