
Das ist schon eine wahrhaft beachtliche Leistung angesichts zahlreicher Ensembles, die in Bremen und umzu um die Aufmerksamkeit des Publikums wetteifern.
Stilistisch ist das Ensemble, das sich in der Regel jeden Montag in der Jacobs Universität in Grohn zur Probenarbeit einfindet, nicht festgelegt; Werke von der Romantik bis zur Moderne werden gleichermaßen berücksichtigt bei der Programmgestaltung. Dabei soll möglichst immer ein unbekanntes oder selten aufgeführtes Werk dabei sein. Jeweils ein halbes Jahr verbleibt bis zur nächsten Aufführung, die mit Akribie und viel Einsatz vorbereitet wird. Dazu gehören nicht zuletzt die kenntnisreich gestalteten, mit ausführlichem Text versehenen Programmhefte; sie vermitteln auch jenen Zuhörern, die nicht über entsprechendes musikalisches Hintergrundwissen verfügen, ein sehr gutes Werksverständnis. Für die entsprechenden Solopartien werden üblicherweise gestandene oder angehende Profimusiker verpflichtet. Das Orchester selbst rekrutiert sich teils aus fähigen Schülern der Musikschule, jedoch sind, vor allem bei den Streichern, auch neue Musiker von außerhalb immer willkommen. Vorspielen ist allerdings Pflicht, damit ein angehendes Mitglied spieltechnisch tatsächlich auch ins Ensemble passt.
Während der letzten Konzerte hatte das Orchester zwei hochkarätige Werke auf dem Programm, nämlich die kontrastreiche Symphonie Nr. 3 von Johannes Brahms und das a-Moll-Violinkonzert von Alexander Glasunow. Letzteres dürfte vielen Zuhörern weitgehend unbekannt gewesen sein, war sogar Neuland für eine gestandene Solistin wie Sarah Christian, die als Konzertmeisterin der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen gewiss über ein ausgezeichnetes Repertoirewissen verfügt. Es sei der Vollständigkeit halber angemerkt, dass sie das spätromantische Werk im Konzert auswendig vortrug und mit Bravour gestaltete. Aber ebenso überzeugte auch die Camerata bei der gelungenen Ausführung beider Kompositionen, die doch so einiges an diffiziler Spieltechnik abverlangen.
Dabei handelt es sich bei den Orchestermusikern nicht etwa um Profis; es sind vielmehr allesamt im besten Wortsinn „Amateure“ – “Liebhaber“ der Musik –, die mit sichtbarer Begeisterung bei der Sache sind und gerne einen keineswegs unerheblichen Teil ihrer Freizeit dafür hergeben. Etwa 70 Mitglieder, zwischen 15 und 80 Jahre alt, gehören derzeit dazu: Schüler, Studenten, Lehrer, Professoren, Ärzte, Rentner. Etwa zwei Drittel davon sind seit vielen Jahren mit großem Einsatz dabei und sorgen für Kontinuität.
Die Gründung der Camerata Instrumentale erfolgte bereits 1964 durch Herbert Koloski, einen umtriebigen Vollblutmusiker, der das Musikleben – vor allem auch die notwendige Nachwuchsarbeit – in Bremen-Nord über Jahrzehnte entscheidend prägte. 37 Jahre lang war es „sein“ Orchester, das er mit großem Eifer leitete. Sein intensiver und systematischer pädagogischer Einsatz, aber gleichermaßen seine sprühende Begeisterung, die er den Musikern vermittelte, waren wichtige Bausteine einer erfolgreichen Orchesterentwicklung. Das Ergebnis: Neben verschiedenen anderen Auszeichnungen spielte die Camerata 1986 sogar den Bundespreis beim Laienorchester-Landeswettbewerb in Würzburg ein. Nach dem plötzlichen Tod von Koloski anno 2001 übernahm Ulrich Semrau (er ist aktuell Dirigent der Klassischen Philharmonie Nord West) bis 2007 das Dirigierpult.
Es war gewissermaßen ein glücklicher Zufall, dass ein paar Jahre zuvor Jörg Assmann, langjähriger Stimmführer der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, zunehmend Lust und Interesse verspürte, neben seiner Tätigkeit als Orchesterviolinist auch als Dirigent tätig zu werden. Dabei wusste er sehr wohl, dass es dabei nicht allein um exakte Taktvorgabe geht, sondern ebenso um die passende Auswahl aufzuführender Werke, eine langwierige Probenarbeit, die Motivation der Musiker und stimmiges Vermitteln musikalischer Inhalte. Alles entscheidende Voraussetzungen für eine erfolgreiche Aufführung. Gut drei Jahre lang besuchte er neben seiner Haupttätigkeit etliche Unterrichts- und Meisterkurse. Dann wurde er prompt von Bekannten, die ihn aus kammermusikalischen Kursangeboten kannten, gefragt, ob er sich die Leitung der Camerata vorstellen könne. Konnte er. Und er ging auch gleich mit reichlich Verve ans Werk.
Dabei war es ihm von Anfang an wichtig, für alle Proben ein möglichst komplettes, somit autarkes Sinfonieorchester zur Verfügung zu haben. Das ist bis heute bestens gelungen; nur höchst selten kommt es vor, dass einzelne Musiker für Aufführungen hinzugekauft werden müssen. Ein maßgeblicher Grund übrigens, warum die Camerata, die sich weitgehend aus Spenden und Geigenkastensammlungen nach Konzerten finanziert (für Noten, Konzertsaalmieten und vieles mehr), in Geldangelegenheiten solide dasteht. Zudem – und das ist gewiss ebenso wichtig – ergibt sich aus den durchweg gemeinsamen Proben aller Instrumentenfraktionen ein von vornherein stabileres Klangbild.
Die vorgesehenen Werke werden zumeist von Assmann selbst ausgewählt. Für gute Vorschläge ist er hingegen immer offen. Und was den Schwierigkeitsgrad anbetrifft, da traut man sich schon einiges zu. Schließlich wächst man an und mit den Aufgaben. Wie wohl ein Orchesterleiter, der selbst in der ‚obersten Liga‘ spielt und höchste Qualität gewohnt ist, mit den Unzulänglichkeiten eines Laienensembles umgeht? „Jeder macht Fehler,“ beantwortet Assmann diese Frage mit wissendem Lächeln, „es ist nur die Frage, auf welchem Niveau.“
Dieses Niveau bei der Camerata nicht nur zu halten, sondern die Messlatte stetig etwas höher anzulegen, das ist ihm bislang ausgezeichnet gelungen. Und genau dies sei es, was die Arbeit mit diesem Ensemble für ihn so befriedigend mache, betont Assmann. Zudem ist er ein überaus kompetenter Ansprechpartner bei allen Streicherproblemen, weiß, welche Bogenstriche und Lagenwechsel am sinnvollsten sind, kann als erfahrener Orchestermusiker aber auch den Bläsern wertvolle Tipps bei der Gestaltung ihrer Stimmen geben. Diese Aspekte betont auch Verena Schönert; sie ist unter anderem auch für die Öffentlichkeitsarbeit des Ensembles zuständig. Als langjähriges Orchestermitglied schätzt sie die durchweg gelungene Werksauswahl und nicht minder die lockere, aber disziplinierte Arbeitsatmosphäre unter dem „stets gut vorbereiteten, mit besonderem pädagogischen Geschick begabten“ Dirigenten Assmann. Wenn dennoch bei einer Aufführung die Intonation nicht immer allerhöchsten Ansprüchen genügen sollte, wenn der Rhythmus nicht in allen Instrumentengruppen punktgenau aufgenommen wird und die Klangtransparenz ein wenig eingetrübt sein mag, dann macht die jahrelange Routine, aber mehr noch die musikantische Begeisterung solche Marginalien schnell wieder wett.
Das nächste Projekt der Camerata ist bereits fest geplant, nämlich für das Wochenende vom 14. bis 16. September. Zu hören sein wird Carl Maria von Webers wunderschönes Fagottkonzert sowie die kaum bekannte Sinfonie Nr. 2 von Alexander Zemlinsky.
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