
Sprache ist der Schlüssel zur Welt – so lautet ein berühmtes Zitat des preußischen Gelehrten Wilhelm von Humboldt. Wer heute auf Reisen geht, kommt meist mit einigen Brocken Englisch gut über die Runden. Vor mehreren Hundert Jahren war das allerdings nicht so. Damals erreichte der Entdecker James Cook Vancouver Island. Noch bevor er in den Hafen fuhr wurde er von einem indianischen Hafenwächter mit den Worten „Nu.tka. ?icim“ empfangen. Cook verstand nichts – außer das Wort Nootka, und so nannte er schließlich die Region. Dabei bedeuteten die Worte lediglich: „Segelt da rum.“
Diese Geschichte ist eine von vielen kleinen, die in dem Buch „Atlas der verlorenen Sprachen“ im Duden Verlag versammelt sind. Die Sprache der First-Nations-Stämme an der Westküste Kanadas, die sich heute Nuu-cha-Nulth nennen, wird von kaum mehr als 100 Indigenen gesprochen und ist akut vom Aussterben bedroht. Dabei war sie die erste Indianersprache im pazifischen Nordwesten, über die es schriftliche Aufzeichnungen gab. Diese Dokumentation verdanken die indigenen Bewohner den Aufzeichnungen des englischen Waffenschmieds John Rodgers Jewitt, der als einziger der gesamten Schiffsbesatzung nicht von den Indianern getötet, sondern als Sklave von ihnen gehalten wurde. Spannende Geschichte.
Es sind genau diese Geschichten, die Autorin Rita Mielke gesammelt und ungemein interessant, farbenfroh und hintergründig aufgearbeitet hat. Sie hat sich auf die Spuren der Sprachen begeben, die möglicherweise schon in einigen Jahren verloren sind, weil sie niemand mehr spricht. Das ist bedrückend, da mit den Sprachen eine kulturelle Vielfalt verloren geht, die Einblick in die Lebenswelt von Völkern und Kulturen gibt: Darunter sind Sprachen wie Irokesisch, Unserdeutsch, Etruskisch oder Himba. Ein Glück also, dass der Leser mit dem Duden-Atlas einmal um die Welt reisen und diese 50 Sprachen noch kennenlernen kann.
Zu den verlorenen Sprachen gehören im Übrigen längst nicht nur indigene vom anderen Ende der Welt. Zu ihnen gehören etwa auch Sami, dass in Nordskandinavien und Russland verbreitet und eine anerkannte Minderheitensprache ist, oder Saterfriesisch aus einer Region westlich von Oldenburg, das nur von 1500 bis 2500 Menschen gesprochen wird. Illustratorin Hanna Zeckau zeigt auf Karten außerdem, wo die jeweilige Sprache beheimatet ist, und hat dazu unaufgeregte Grafiken erschaffen.
Fazit: Das Buch ist ein Glücksfall für Menschen, die Sprachen und zudem Abenteuer lieben, denn beides ist in ihm vereint.
Der „Atlas der verlorenen Sprachen“ ist im Duden Verlag erschienen, hat 239 Seiten und kostet 28 Euro.
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