
Am 22. Dezember erhielt er eine umfangreiche Bestellung für ein ankommendes Seeschiff, Ankunft am 24. Dezember, vormittags. Am 23. Dezember wurde der Auftrag zusammengestellt – was wir nicht selbst am Lager hatten, wurde besorgt.
Am Vormittag des 24. Dezember wurde der Lkw beladen, und wir warteten auf die Ankunft des Schiffes. Um 13 Uhr hatten wir noch keine Meldung, wie weit das Schiff sei. Die Mitarbeiter machten Feierabend, da sie zu ihren Familien wollten. Meinem Vater blieb nur die Möglichkeit, selbst die Lieferung auszuführen. Um 14 Uhr bekamen wir die Meldung, das Schiff habe Bremerhaven passiert und werde gegen 18 Uhr in Bremen eintreffen. So waren wir beim Weihnachtskaffee zusammen, und meine Mutter sagte, kommt schnell zurück, damit der Heiligabend gefeiert werden kann.
Mein Vater nahm mich wie immer gern mit. Wir fuhren um 17.15 Uhr ab. Als erstes mussten wir noch zum Zollamt, denn das Schiff bekam unverzollte und unversteuerte Waren, die zollmäßig abgefertigt werden mussten. Danach fuhren wir zum Liegeplatz des Schiffes. Unterwegs sah ich in zahlreichen Häusern erleuchtete Tannenbäume und freute mich auf den Heiligabend zu Hause.
Wie zu erwarten, kam das Schiff gegen 18 Uhr am Liegeplatz im Holzhafen an. Das Ankommen des Schiffes habe ich in den Jahrzehnten nicht vergessen: Es war bereits dunkel, das Schiff hatte nur die Back- und Steuerbordlampen sowie eine Notbeleuchtung im Topmast an, alles andere lag gespenstisch im Dunkeln. Nur der Schlepper längsseits hatte die Beleuchtung an.
Nachdem das Schiff festgemacht wurde, rief der Kapitän von der Brücke: Ist der Schiffshändler mit den Keilriemen und den Tannenbäumen auch da? Ja, antwortete mein Vater, die Teile habe er auch dabei. Danach kam der Erste Ingenieur, holte sich die Keilriemen, und nach einer halben Stunde waren die Keilriemen an der Lichtmaschine eingebaut, und das Schiff erleuchtete hell im Dunkeln.
Die Besatzung übernahm die bestellten Waren – inklusive 16 Mal „Weihnachten für Seeleute“: je einen Weihnachtspappteller, je eine Packung Spekulatius, Feigen, Datteln und Nussmischung sowie eine Stück Marzipanbrot, Schokolade und Süßwaren.
Nach der Übernahme der Waren an Bord erhielt mein Vater die Unterschrift vom Kapitän auf den Rechnungen. Beim Verlassen des Schiffes sahen wir, wie zwei Seeleute in der Mannschaftsmesse mit dem Aufstellen des Tannenbaumes beschäftigt waren. Auf der Fahrt nach Hause erhielten wir den gleichen Blick: leuchtende Tannenbäume in den Häusern.
Es war für mich ein besonderer Heiligabend. Für 16 Seeleute brachten wir Helligkeit auf ihr Zuhause, sodass sie auch einen fröhlichen Weihnachtsabend feiern konnten.
Heinz Dieter Rothe