
Sigi Strauss-Magura ist aufgeregt. Gemeinsam mit vielen anderen steht die 58-Jährige im Empfangsbereich des Pressehauses in der Schlange und wartet auf ein Autogramm von WESER-KURIER-Karikaturist Til Mette. In den Händen hält sie ein kleines Buch, presst es an den Körper wie einen wertvollen Schatz.
Und das ist es – ein Schatz voll Erinnerungen, ein Poesiealbum. Auf den vorderen Seiten kleben Kinderfotos von ihr, und auf einer der hinteren hebt Sigi ein ganz besonderes Andenken auf: Eine Karikatur von Til Mette, gezeichnet in der Nacht vom 4. auf den 5. Januar 1984. An diesem Abend begegnete sie dem jungen Bremer Cartoonisten in einer Kneipe in der Neustadt.
Ein fröhlicher Abend war es, erinnert sie sich, an dem sie ein Gläschen mit Freunden trank. Til Mette zeichnete der damals 27-Jährigen ein Selbstporträt in das Poesiealbum. Wirre Haare und ein Glas Wein in der Hand. „Liebe Sigi“, steht da, „lieber Red Wine als Dead sein.“
"Ah, das ist aber alt"
Seitdem hat Sigi Til Mette nie wieder gesehen – bis heute, 31 Jahre später. Als sie bei der Autogrammstunde an der Reihe ist, zeigt sie ihm mit leuchtendem Gesicht die Karikatur. „Ah, das ist aber alt!“, ruft Mette aus und greift nach dem Buch. „84? Ist ja nicht wahr!“ Sofort greift er zum Stift und beginnt, mit fliegender Hand eine neue Karikatur auf die leere Seite daneben zu zeichnen. Ein zweites Selbstporträt. 1984 und 2015. Sigi strahlt; genauso hatte sie sich die Szene vorgestellt.
„Ich habe dir auch eine Kopie mitgebracht“, sagt sie und reicht Til Mette einen Umschlag über den Tisch. Dann aber muss sie weitergehen. Schließlich warten in der Schlange noch mehr Leute auf eine signierte Karikatur von Til Mette – auch wenn die wenigsten eine so persönliche Zeichnung bekommen werden, wie Sigi Strauss-Magura.
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