Dem Werder-Wahnsinn von Dortmund folgte Ernüchterung im Weserstadion: Der SV Werder unterlag am Sonntagabend im Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt mit 3:4 (2:3) und muss weiter auf den ersten Bundesliga-Heimsieg dieser Saison warten. Was für den neutralen Fan beste Unterhaltung war, brachte den Anhängern der Grün-Weißen nur bedingt Spaß – fenn Werder legte in der Abwehr einen ganz miserablen Auftritt hin.
Nach dem rauschenden Fest aus der vergangenen Woche vertraute Trainer Ole Werner exakt der gleichen Startelf wie in Dortmund. Und Clemens Fritz, Werders Leiter Profifußball, wusste direkt, was er nun gegen Frankfurt von der Mannschaft sehen wollte. „Selbstvertrauen beibehalten. Mut beibehalten“, forderte er vor dem Anpfiff am DAZN-Mikrofon. „Die Jungs wissen genau, was sie auf den Platz bringen müssen, um erfolgreich zu sein.“
Das Wissen allein genügte allerdings nicht. Es waren keine zwei Minuten gespielt, da ließ sich Milos Veljkovic richtig düpieren. Nach einem Ballverlust von Mitchell Weiser war Frankfurts Randal Kolo Muani an der Bremer Torauslinie unterwegs – und wurde dabei überhaupt nicht angegriffen. Wo Veljkovic energisch hätte dazwischen gehen können, ließ er den Eintracht-Profi einfach gewähren, was dieser für einen Pass in den Rückraum nutzte. Dort fühlte sich kein Werder-Akteur für Mario Götze zuständig, der mit einem platzierten Distanzschuss Jiri Pavlenka überwand – 0:1 (2.). Kurz zuvor hatte Anthony Jung den Ball gerade noch von der Torlinie gekratzt, sonst hätte es knapp 20 Sekunden vorher schon einen Bremer Rückstand gegeben.
Bittencourt trifft für Werder erneut mit dem Kopf
In den vergangenen drei Partie hatte die Werner-Elf stets stark begonnen, dieses Mal hatten sie alle Mühe, Zugriff auf den Gegner zu bekommen. Und doch gelang den Gastgebern der schnelle Ausgleich. Im Anschluss an eine Ecke bekamen die Frankfurter den Ball nicht geklärt, was Anthony Jung ins Spiel brachte. Und der Linksaußen traf bei der ersten gefährlichen Bremer Aktion von der Strafraumgrenze mit dem rechten Fuß (14.). Und Werder blieb am Drücker. Marvin Ducksch führte einen Freistoß aus dem Halbfeld schnell aus und flankte punktgenau auf den eingelaufenen Leonardo Bittencourt. Der Mittelfeldmann war wie schon in Wolfsburg mit dem Kopf zur Stelle – die Partie war gedreht – 2:1 (17.).

Da war die Bremer Welt noch in Ordnung: Leonardo Bittencourt bejubelt seinen Treffer zum zwischenzeitlichn 2:1.
Nur zwei Minuten später lag der Ball schon wieder im Netz, dieses Mal wieder im Tor von Jiri Pavlenka. Bei der Entstehung des Treffers von Daichi Kamada hatte Kolo Muani allerdings minimal im Abseits gestanden, was der Video-Assistent mit einiger Verzögerung auch bestätigte. Es war mächtig was los im Weserstadion – und es blieb munter. Weil sich Christian Groß einen hanebüchenen Ballverlust erlaubte, tauchte plötzlich Jesper Lindstrøm frei vor Pavlenka auf. Doch der Bremer Keeper rettete nach leichten Wacklern während der Anfangsphase nun in höchster Not (27.).
- Die Werder-Einzelkritik: Kapitän Friedl völlig von der Rolle – Note 5
Werder-Torschütze Bittencourt muss verletzt vom Platz
Nach einer halben Stunde musste dann Bittencourt verletzt vom Platz, beim Gang zur Bank zeigte er auf seinen rechten Rippenbereich. „Wir wissen noch nicht genau, was es ist, aber er hatte Atemprobleme“, schilderte Sportchef Frank Baumann in der Halbzeit. Romano Schmid ersetzte Bittencourt, dessen Landsmann Marco Friedl war es dann allerdings, der als nächstes im Mittelpunkt stand. Werders Kapitän erlaubte sich einen katastrophalen Fehlpass, Kamada schickte daraufhin Kolo Muani steil – und durfte zum 2:2 einnetzen, weil Veljkovic und der zurückgeeilte Friedl den Eintracht-Angreifer nicht mehr am Schuss hinderten (32.).
Zeit zum Durchschnaufen gab es auch danach nicht. Nach einem Weiser-Schuss wollte Niclas Füllkrug den Abpraller eigentlich einköpfen, wurde dabei aber durchaus elfmeterwürdig gestört. Einen Pfiff gab es trotzdem nicht (38.). Im direkten Gegenzug verteidigte die Heimmannschaft abermals blamabel, wieder sah Friedl gar nicht gut aus. Am Ende lupfte Lindstrøm den Ball dieses Mal über Pavlenka hinweg in den Kasten (39.).
Fünf Tore und eine turbulente erste Hälfte hatten die Zuschauer bis zum Pausenpfiff erlebt – der viel zitierte Werder-Wahnsinn zeigte sich bis dato aber vor allem in der horrenden Fehlerkette der Protagonisten und gab nicht wirklich Anlass zur Freude. „Wir müssen das einfach besser verteidigen“, kritisierte Frank Baumann. „Wir haben viele Fouls von uns gesehen, das ist meistens auch ein Zeichen dafür, dass man immer einen Schritt zu spät in den Zweikampf kommt.“

War nach der Partie angesichts der Defensiv-Leistung seiner Mannschaft wenig begeistert: Werder-Trainer Ole Werner.
Werner wechselt erfolgreiche BVB-Joker ein
Das Problem: Auch nach dem Seitenwechsel blieb Werder erschreckend passiv in der Rückwärtsbewegung. Kolo Muani durfte abermals unbedrängt in Richtung Tor spazieren, dann legte er auf Djibril Sow ab, der wunderschön per Schlenzer den vierten Frankfurter Treffer erzielte (48.). Dieser nächste Rückschlag zeigte spürbar Wirkung, die Bremer waren nun richtig verunsichert. Nach einem harmlosen Friedl-Rückpass wartete Pavlenka derart lange mit dem Befreiungsschlag, dass Kolo Muani fast noch den Fuß dazwischen bekommen hätte (54.). Dann ließ sich Groß an der Torauslinie von Kamada vorführen, was letztlich ohne Folgen blieb (59.).
Mit einem Dreifachwechsel hoffte Ole Werner auf neuen Schwung und mehr Stabilität, Lee Buchanan, Ilia Gruev und Niklas Schmidt kamen in die Partie (65.).Fast hätte sich der Tausch schnell bezahlt gemacht: Bei einem Bremer Angriff legte Schmidt den Ball geschickt mit der Hacke weiter, doch Buchanans Abschluss aus aussichtsreicher Position flog über das Ziel hinweg (71.). Dann kam auch noch Werders bisheriger Edel-Joker Oliver Burke (77.).
Kurz vor dem Ende wurde dann Ducksch von Evan Ndicka im Strafraum zu Fall gebracht, der Video-Assistent meldete sich, es gab tatsächlich noch Elfmeter für Werder. Füllkrug trat an, verwandelte sicher und verkürzte zum 3:4 (90.+2). Die Basis für ein erneut packende Schlussphase war also gelegt. Fast wäre Frankfurts Tuta nach einer Burke-Hereingabe noch ein Eigentor unterlaufen (90.+6), doch es reichte nicht mehr zum Remis. Werder-Wahnsinn, aber anders.