Sinsheim·Bremen. In Hoffenheim gelangen Marko Arnautovic drei Tore, es war der Lohn für eine starke Vorstellung. In der Vergangenheit für seine Eskapaden gefürchtet, scheint der Österreicher nach zweieinhalb Jahren vor dem in Bremen ersehnten Durchbruch zu stehen – so er denn gelernt hat, mit dem Erfolg umzugehen.
Sein ausgeprägtes Ego hat Marko Arnautovic nie abgelegt. Warum auch? Ablesen kann man das schön an einem dieser profanen, aber wahnsinnig teuren Statussymbole, ohne die viele junge Fußballprofis scheinbar nicht durchs Leben kommen. Bei Arnautovic ist es ein schwarz-roter Porsche Panamera, ein Unikat mit, nun ja, extravaganter äußerer Optik und speziellen inneren Werten: Auf den Sitzen ist das Autogramm in schwungvoller Handschrift eingeprägt. Fußballerisch steht der Name Marko Arnautovic seit Sonntag für die Qualität, auf die sie in Bremen seit zweieinhalb Jahren warten.
Drei Tore beim 4:1 in Hoffenheim lassen einerseits aufhorchen, das ist Arnautovic in seiner ganzen Profi-Karriere noch nicht geglückt. War es ein Aufbruch? Oder war es gar der "Urknall", wie der "Kicker" es in euphorischer Erwartung kommender Glanztaten vermeldete? Bei Werder sind sie vorsichtiger – und sie wissen, warum.
"Er ist ein toller Spieler", sagt beispielsweise Lukas Schmitz über Marko Arnautovic und schiebt mit einem Schmunzeln hinterher: "Aber die Gefahr ist: Wenn man zu viel darüber redet, wird’s wieder schwieriger mit ihm." Sie kennen ihren Pappenheimer aus Wien, der in der Vergangenheit außergewöhnlichen fußballerischen Momenten oft Lethargie und Lässigkeit folgen ließ. Die Arnautovic-Geschichten über geplatzte Knoten oder Genie und Wahnsinn sind oft genug geschrieben worden. Gut möglich, dass auch diese Geschichte dazu zählt. So ist die Frage, warum es bisher nie für mehr als für das Dasein eines Tageshelden getaugt hat, auch für Arnautovic selbst schwer zu beantworten. "Keine Ahnung", sagte er am Sonntag, "ich will ja immer alles geben. Diesmal ist es mir gelungen."
Und wie es ihm gelungen ist. Es waren nicht nur die drei Tore, es war auch die Art und Weise, wie er sie erzielte. Das erste, der Treffer zum Bremer 2:0, entsprang einer perfekten Kombination zwischen ihm und Kevin De Bruyne, das zweite (und entscheidende des Spiels) war ein gezirkelter Freistoß, das dritte ein Schlenzer mit links am Ende eines energischen Solos. Früher hätte er sich dafür – ganz unbescheiden – selbst auf die Schulter geklopft. Heute sagt er: "Ich liebe es nicht, mich selbst zu loben." Und lobt stattdessen andere wie Eljero Elia für die Hilfe beim 2:0 ("Elli lässt durch, das war natürlich großartig") oder De Bruyne für den Tipp vor dem Freistoß ("Kevin hat mir gesagt: ,Das ist ’ne kleine Mauer – probier, ihn drüberzuschießen‘").
Marko Arnautovic gibt sich geläutert. Seit Monaten entfernt er sich Stück für Stück, Schritt für Schritt von der Gefahr, sein außergewöhnliches Fußball-Talent zu verschleudern. Als er im Sommer 2010 zu Werder wechselte, hatte man diese Sorge haben müssen. Er war ein klassischer Problem-Profi, gescheitert schon in Holland bei Twente Enschede, wo man froh war, ihn loszuwerden. Er war exzentrisch, großmäulig, undiszipliniert, unprofessionell.
Er kam von seiner Ausleihstation Inter Mailand, dem Weltklub und Champions-League-Sieger, und wenn Arnautovic selbst in jener Saison nur dreimal hatte mitspielen dürfen, so verortete ihn sein Ego auf derselben Stufe wie die damaligen Inter-Stars Samuel Eto’o, Wesley Sneijder und Diego Milito – mindestens. Wer das in Bremen noch nicht wusste, den klärte ein Schriftzug auf den Fußballschuhen des Neuzugangs auf: "Champions-League-Sieger 2010" stand dort. Mochte man darüber noch schmunzeln, so wurden Arnautovics Ausflüge in sämtliche Fettnäpfchen, die seinen Weg säumten, auf Dauer zur Belastung. Zeitweilig wurde er selbst zum Opfer.
Aus Schaden klug geworden
Als er im Herbst vor zwei Jahren – Werders sportlicher Abstieg aus der Spitzenzone der Liga begann gerade – am Tag nach dem 0:6-Desaster beim VfB Stuttgart vor verschlossenen Trainingstoren stand und ausrief: "Ist das ein Saftladen hier", wurde daraus in einigen Medien ein Skandal gezimmert. Dass der Ausruf eher flapsig rüberkam und keineswegs als Beschimpfung (Per Mertesacker verstand es damals und lachte herzhaft), spielte dabei keine Rolle mehr. Es war ein Scherz zu einer unpassenden Zeit.
Heute passiert ihm so etwas nicht mehr, er ist aus Schaden klug und vorsichtiger im Umgang mit Medien geworden. Überhaupt wirkt er verantwortungsbewusster, vielleicht ist es der Einfluss seiner neuen Rolle als Vater und Ehemann. Arnautovic selbst behauptet das zumindest. "Er ist", hat Kapitän Clemens Fritz beobachtet, "in dieser Saison schon sehr gefestigt. Und solche Spiele wie in Hoffenheim bringen ihn noch weiter nach vorn."
Da schwingt – bei aller Vorsicht – dann doch eine Erwartung mit. Denn Marko Arnautovic ist unbestritten ein außergewöhnlicher Fußballer mit außergewöhnlichen Qualitäten – wenn es überhaupt noch zu beweisen gewesen wäre, hat er in Hoffenheim diesen Beweis geführt. Ob es aber nun so weitergeht? Ob Hoffenheim ein Anfang war? Arnautovic weiß es nicht, und er bittet um Geduld und Verständnis. "Ich kann", sagt er, "nicht immer einen guten Tag haben. Ich kann nicht immer Tore machen."