Kritik an Gästen und Werder "Angst bekommen": Wie Fans Pyro-Vorfälle im Weserstadion erlebt haben

Nach den Pyro-Vorfällen am Samstagabend stehen sowohl die Gästefans aus München als auch Werder Bremen in der Kritik. Fans berichten, wie sie die Situation im Weserstadion erlebt haben.
07.05.2023, 17:25 Uhr
Lesedauer: 3 Min
Zur Merkliste
Von kni/dco

Es gibt gute und schlechte Plätze in einem Fußballstadion, aber dieser Bereich des Weserstadions dürfte wohl zu den ekeligsten und gefährlichsten in Deutschland Arenen gehören. Denn auf der Westtribüne befindet sich im Oberrang der Gästeblock, darunter sitzen ganz normale Zuschauer. Und die mussten am Samstagabend im Heimspiel des SV Werder Bremen gegen den FC Bayern München (1:2) gleich zwei Mal ihre Plätze räumen. Aus Sicherheitsgründen, weil Anhänger des Rekordmeisters über ihnen jede Menge über 1000 Grad heiße Pyrotechnik zündeten.

Lesen Sie auch

Nicht auszudenken, was passiert, wenn so eine Fackel runterfällt. Kinder weinten, Familien suchten geschockt vorzeitig das Weite. Werder kennt das Problem, weist sogar mit Hinweiszetteln, die auf den Plätzen liegen, ausdrücklich darauf hin, verkauft aber dennoch weiter fleißig Tickets für den Bereich. Das sorgt bei den Käufern für jede Menge Unmut.

Handgreiflichkeiten auf Westtribüne des Weserstadions

"Ich dachte, die Zeiten, in denen man als Familie nicht zum Fußball gehen konnte, seien vorbei“, wundert sich Thomas Breuer aus Ganderkesee im Gespräch mit unserer Deichstube. Gemeinsam mit seiner Frau und seinem Sohn saß er in Block 102  der Westtribüne – als gemischtes Trio. Zwei Breuers sind Bayern-Fans, ein Herz schlägt grün-weiß. Doch nach der Pause war der Spaß vorbei. Weil es Hinweise gab, dass zum Wiederanpfiff Pyrotechnik im Gästeblock gezündet wird, griff das Sicherheitskonzept der Arena – und das sieht in diesem Fall eine Räumung des Bereichs darunter vor. Ein Einschreiten der Polizei direkt im Gästeblock ist zu gefährlich. Die Breuers durften nach ihrem Pausen-Imbiss also erstmal nicht zurück auf ihre Plätze. In der 52. Minute war der Spuk vorbei, alle konnten wieder rein. Doch nach dem 2:0 der Bayern in der 72. Minute brannte es oben erneut lichterloh, und wieder sollten alle raus, was diesmal nicht so reibungslos ablief. Es kam zu Handgreiflichkeiten zwischen Zuschauern und Ordnungspersonal.

Während des Spiels sind immer wieder Teile der Bengalos runtergeflogen, weil die Gästefans die Netze durchgebrannt haben.
Werder-Fan aus Bremen

Die Breuers hatten ganz andere Sorgen. „Wenn über dir Pyro gezündet wird, ist das kein schönes Gefühl. Es ist auch Asche heruntergerieselt. Wir haben schon Angst bekommen, vor allem unser neunjähriger Sohn. Er hat geweint und wollte nach der zweiten Räumung des Blocks nicht mehr rein. Deshalb sind wir gefahren“, berichtet Breuer.

Ähnlich äußert sich auch eine Frau aus Bremen, deren Name unserer Deichstube bekannt ist: „Während des Spiels sind immer wieder Teile der Bengalos runtergeflogen, weil die Gästefans die Netze durchgebrannt haben. Ich selbst war mit einem Zwölfjährigen da, für den das Spiel wegen der ganzen Sache irgendwann gelaufen war. Mehrere Kinder um uns herum haben angefangen zu weinen, sodass Familien vorzeitig gegangen sind.“ Sie hätte sich gewünscht, dass die Partie unterbrochen und notfalls abgebrochen worden wäre. Doch es gab nur Durchsagen, dass das Abbrennen von Pyrotechnik verboten und zu unterlassen sei. Wie schon so oft.

Immer wieder Probleme mit dem Gästeblock im Bremer Weserstadion

Denn das Problem mit dem Gästeblock existiert seit Jahren. „Beim Heimspiel gegen Dortmund haben einige Gästefans sogar von oben runtergepinkelt. Ich verstehe einfach nicht, warum die Gäste nicht im Unterrang ihren Platz haben", ärgert sich besagte Frau aus Bremen. Über eine Umsiedlung der Gästefans wurde schon oft diskutiert, doch dafür müsste Werder womöglich auf lukrative VIP-Logen verzichten.

Aktuell löst der Verein das Problem anders, was Thomas Breuer kaum glauben kann: „Uns hat sehr irritiert, dass auf unseren Plätzen schon Hinweiszettel lagen, dass der West-Unterrang 'aufgrund von gästebedingtem Fehlverhalten‘ geräumt werden könnte. Das hatte uns beim Kauf der Karten niemand gesagt. Das ist doch ein Familien-Block.“ In dem saßen Werder- und Bayern-Fans bunt gemischt – ohne Probleme, bis die Besucher über ihnen rücksichtlos ihr eigenes Ding durchzogen. Wie zu Spielbeginn übrigens auch die Werder-Ultras, die mit dem Abbrennen zahlreicher Rauchtöpfe die komplette Ostkurve einnebelten. Das ist nicht nur verboten, sondern auch gesundheitsschädlich und gefällt wahrlich nicht jedem Zuschauer in diesem Bereich.

Werder wird dafür genauso wie der FC Bayern eine Strafe vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) aufgebrummt bekommen und sie dann wie immer ohne große Aufregung bezahlen. Zum aktuellen Fall wollte sich der Verein am Sonntag auf Nachfrage unserer Deichstube nicht äußern. Die Aufarbeitung sei noch nicht abgeschlossen. Mediendirektor Christoph Pieper bat um Verständnis und kündigte eine Stellungnahme für Anfang der Woche an. Vielleicht wird Thomas Breuer dann auch erfahren, ob er eine Entschädigung für das fast halb verpasste Spiel bekommt. Pro Ticket hat er immerhin 43 Euro bezahlt. Eines weiß der Gankerkeseer aber schon jetzt: Sollte er noch mal ins Weserstadion kommen, wird er die Plätze unterhalb des Gästeblocks ganz gewiss meiden.

Jetzt sichern: Wir schenken Ihnen 1 Monat WK+! Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Einwilligung und Werberichtlinie

Ich erkläre mich damit einverstanden, dass die von mir angegebenen Daten dazu genutzt werden, regelmäßig per E-Mail redaktionelle Inhalte des WESER-KURIER seitens der Chefredaktion zu erhalten. Die Daten werden nicht an Dritte weitergegeben. Ich kann diese Einwilligung jederzeit formlos mit Wirkung für die Zukunft widerrufen, z.B. per E-Mail an widerruf@weser-kurier.de.
Weitere Informationen nach Art. 13 finden Sie unter https://www.weser-kurier.de/datenschutz

Schließen

Das Beste mit WK+