Mehr als drei Wochen lang muss Werder in der Saisonvorbereitung ohne einen Schlüsselspieler auskommen. Da müsste sich der Trainer doch mächtig ärgern, oder? Weit gefehlt! Das Gegenteil ist der Fall. Florian Kohfeldt freut sich mächtig, dass Maximilian Eggestein mit der deutschen U21-Nationalmannschaft im Finale der Europameisterschaft steht und somit erst am 22. Juli ins Training der Bremer einsteigt. „Ich sehe dieses Turnier extrem positiv für Maxi. Er muss sehr viel Verantwortung übernehmen. Das bringt ihn in seiner Entwicklung weiter“, betonte der Coach.
In der Tat gehört Eggestein zu den Führungsspielern im deutschen Erfolgsteam, das am Sonntag im Finale (20.45 Uhr, live in der ARD) gegen Spanien Europameister werden kann. In allen vier bisherigen Begegnungen stand der Bremer in der Startelf. Auf der Achter-Position, die er bei Werder in der vergangenen Saison zumeist bekleidete, kam Eggestein dabei nur eine Halbzeit lang zum Einsatz. Ansonsten spielte er als alleiniger Sechser im defensiven Mittelfeld. „Das ist eine Position mit sehr viel Verantwortung für die Mannschaft, aber man glänzt selbst nicht so durch Torschüsse oder tiefe Läufe“, sagte Kohfeldt und sprach seinem Spieler ein Lob aus: „Maxi füllt diese Rolle sehr gut aus. Er spielt ein sehr gutes Turnier.“
Gut möglich sogar, dass diese U21-EM der perfekte Probelauf für die neue Spielzeit ist. „Es spielt in meinen Gedanken ein Rolle, mit Maxi etwas tiefer zu spielen. Wir haben mit Max Kruse jemanden verloren, der wichtig war, um gut ins letzte Drittel zu kommen. Das aufzufangen wird ein Themenblock sein, dabei wird Maxi eine Rolle spielen“, erklärte Kohfeldt. Die tiefen Läufe könnten ohne Kruse, der sich oft zum Ballverteilen aus dem Sturm nach hinten fallen ließ und somit vorne Räume frei machte, nicht mehr so ein probates Mittel sein. Stattdessen muss sich Werder künftig öfter ins letzte Drittel kombinieren, den Ball also dorthin tragen. Mit dem passsicheren Maximilian Eggestein hätten die Bremer einen guten Verbindungsspieler auf der Sechser-Position, der zudem zweikampf- und laufstark ist.
Doppel-Sechs als Option
Dazu kommt, dass die Alternativen im defensiven Mittelfeld rar gesät sind. Philipp Bargfrede fällt auf unbestimmte Zeit verletzt aus, Talent Manuel Mbom wurde nach Uerdingen verliehen, und Zugänge für das Mittelfeld gibt es bislang nicht. Somit ist Nuri Sahin neben Eggestein derzeit der einzige echte Kandidat für die Sechser-Position. Denkbar ist auch, dass beide dort spielen. Eggestein sei ebenfalls als Teil einer Doppel-Sechs eine Option, sagte Kohfeldt. In dem Fall könnte sich der 22-Jährige öfter in die Offensive einschalten und wäre durch seinen Nebenmann abgesichert. Beim 4:2-Halbfinalsieg der deutschen U21-Auswahl über Rumänien gefiel Kohfeldt besonders das Wechselspiel zwischen Eggestein, Mahmoud Dahoud und Florian Neuhaus. „Da hat man gesehen, welche Stärken Maxi in der Offensive hat.“
Kohfeldt steht in regelmäßigem Kontakt zu Maximilian Eggestein und dessen Bruder Johannes, der bei der EM noch nicht zum Einsatz kam. Er wolle sie nicht jeden Tag anrufen, schreibe aber Nachrichten und habe kürzlich mit beiden telefoniert, erzählte der Werder-Trainer. Mit Marco Friedl, der mit der österreichischen U21-Nationalmannschaft in der Vorrunde ausschied, hatte Kohfeldt ebenfalls Kontakt. „Ich habe mit Freude gesehen, wie er bei der EM gespielt hat.“ Beim 1:1 gegen Deutschland kam Friedl als Rechtsverteidiger zum Einsatz, dort hatte er aushilfsweise auch schon bei Werder agiert. „Er kann hinten rechts spielen, dadurch kriegen wir eine neue Option, weil der Außenverteidiger dann nach innen zieht. Am stärksten sehe ich Marco aber als Innenverteidiger, ob rechts oder links“, sagte Kohfeldt über den 21-Jährigen, den Werder gerade fest von den Bayern verpflichtet hat.
Friedl steigt schon am 8. Juli während des Zillertal-Trainingslagers wieder in die Vorbereitung ein. Johannes Eggestein folgt am 15. Juli, eine Woche vor seinem älteren Bruder. Dass Maximilian Eggestein in der kommenden Spielzeit nach einer langen Saison mit 39 Pflichtspieleinsätzen plus EM-Teilnahme in ein Loch fallen könnte, glaubt Kohfeldt übrigens nicht. „Drei Wochen Urlaub reichen, um sich zu erholen. Maxi hat auch keinen Nachteil dadurch, dass er später einsteigt. Er weiß, was ich von ihm will.“