Bremen. Eigentlich hatte sich Clemens Fritz nichts Böses dabei gedacht. Als er am Dienstagvormittag das Training vorzeitig abbrach (wir berichteten), schien es nicht mehr zu sein als eine kleine Muskelgeschichte.
"Ich dachte, der Muskel hätte zugemacht", sagte er gestern Nachmittag, als er es besser wusste. Denn anstelle einer Muskel- handelt es sich um eine Sehnengeschichte – und zu allem grün-weißen Unglück ist es keineswegs eine Kurzgeschichte. Sie sorgt dafür, dass Clemens Fritz voraussichtlich sechs Wochen pausieren muss.
Die endgültige Diagnose erhielt Fritz am Mittwochvormittag. Tags zuvor hatte er hoffen dürfen: Zunächst war ein Beckenschiefstand behoben worden, doch die Annahme, "dass sich dadurch die Muskulatur entspannt", erwies sich als falsch. Erst eine Kernspintomografie gab gestern die endgültige Antwort, um welche Art der Blessur es sich handelte.
Das Ergebnis: eine Sehnenzerrung am Ansatz des Adduktors. "Das war ein Schock", sagte Fritz, "damit hätte ich nie gerechnet." Die Verletzung entpuppte sich sogar als doppeltes Pech: Aufgrund ihrer Lage zwingt sie den 31-Jährigen in eine lange Zwangspause. "Der Doc", erzählte Fritz gestern Nachmittag, "hat gesagt, das ist nicht die beste Stelle für so eine Sehnenverletzung."
Wurzel des Übels waren zwei Szenen im Dienstagtraining. Zunächst hatte Fritz einen langen Ball geschlagen, bei dem er "ein bisschen was gespürt" habe. Nichts Schlimmes, dachte er da noch. Wenig später aber wollte Fritz flanken – und merkte: Es geht nicht mehr. Ein kurzes Zwiegespräch mit Thomas Schaaf beendete für ihn die Einheit – und im Nachhinein das Fußballspielen für die nächsten anderthalb Monate.
Denn so lange soll der Abwehrmann nun ausfallen. Fritz, der mit 220 Bundesliga-Einsätzen mit Abstand erfahrendste Werderaner, wird voraussichtlich erst zur englischen Woche Ende November in den Spielbetrieb zurückkehren können und bis dahin in den Partien gegen Mönchengladbach, Greuther Fürth, Mainz, Schalke und Düsseldorf fehlen.
"Der Ausfall wird uns wehtun", machte Thomas Schaaf keinen Hehl daraus, was das Fehlen seines Spielführers bedeutet. Denn mit Clemens Fritz fehlt ihm nicht nur der Kapitän; es fehlt ihm ein Routinier und vor allem eine wichtige Alternative für gleich mehrere Positionen in der Defensive. Ob rechts, ob links, ob vor der Abwehr – mit Fritz besitzt Schaaf einen flexibel einsetzbaren Hebel, der ihm nun fehlt. Werders Chefcoach versuchte gestern die personellen Konsequenzen noch zu relativieren, als es um die Frage ging, welche Alternativen er zu Theo Gebre Selassie und Lukas Schmitz in der Außenverteidigung denn noch hätte. So zählte Schaaf auf: "Florian Hartherz, Cimo Röcker, Aleksandar Ignjovski – ein paar haben wir schon noch."
Tatsächlich aber haben die Drei in den Außendienststellen der Viererkette bislang keine Rolle gespielt – lediglich Ignjovski kann auf einen 66-minütigen Einsatz in Dortmund zurückblicken. Gebre Selassie und Schmitz dagegen zählten zuletzt zu den Wackelkandidaten in Werders Kader. Mal saß der eine draußen, mal der andere, und Fehler machten, wenn sie auf dem Platz standen, beide. Einzige Konstante, wenn auch ebenso fehlerbehaftet, war Fritz.