Sie war in Schweden dabei. Auf den Färöern. In Bremen sowieso und eigentlich überall in Europa, wo Gerd Melloh den SV Werder Bremen oder die deutsche Nationalmannschaft angefeuert hat. Doch jetzt ist sie weg. Nach fast 30 Jahren und unendlich vielen Erinnerungen. In einem Augenblick, als eigentlich nicht damit zu rechnen war. Und doch ist es passiert. Weil sie ein paar Fans des FC Schalke 04 ein Dorn im Auge war. Seither muss Melloh ohne seine große Fahne auskommen, die in Gelsenkirchen noch gut sichtbar vom Oberrang herunterhing. Doch er hofft, dass er sie irgendwie doch noch zurückerhält.
"Es ging alles so schnell“, erinnert sich der 54-Jährige. „Wir kamen nach dem 4:1-Sieg auf Schalke gerade aus dem Stadion, ein Kumpel von mir hatte die Flagge eigentlich zusammengerollt unter dem Arm eingeklemmt.“ Aber nicht lange. Fünf bis sechs Schalker, ganz genau weiß Melloh es nicht mehr, schlugen auf einmal auf seinen Freund ein, beförderten ihn zu Boden und machten sich wieder aus dem Staub. "Wir können uns das wirklich nicht erklären, provoziert haben wir niemanden." Ergebnis des Blitzangriffs: Eine verschwundene Flagge und eine leichte Gehirnerschütterung bei Mellohs Begleitung.
Wenig später wurde Anzeige bei der Polizei erstattet, auch Werders Fanbetreuung informiert. Aber die Fahne bleibt bislang verschollen. „Wir hatten damals sogar noch einen Schalker Kumpel in unserer Gruppe dabei“, erzählt Melloh. „Dem habe ich dann kürzlich extra noch gesagt, dass er beim nächsten Schalker Heimspiel gegen St. Pauli mal im Stadion schauen soll, ob die Flagge dort als Trophäe im Fanblock präsentiert wird. Das war aber wohl nicht der Fall.“
Ein Zwischenfall wie dieser ist kein seltenes Phänomen. Immer wieder kommt es in Deutschland rund um Fußballspiele vor, dass gerade Gäste-Anhänger angegriffen und zur Herausgabe ihrer Fanartikel gezwungen werden. Erst kürzlich erwischte es in Aue laut Polizei drei 41-jährige Werder-Fans – einen Tag später waren dann im Block der Sachsen gut sichtbar drei grün-weiße Trikots aufgehangen worden. Dass diese wirklich vom nächtlichen Überfall stammen, ist nicht bewiesen, die Wahrscheinlichkeit aber groß.
Gelsenkirchener Polizei ermittelt
Gerd Melloh wünscht sich, dass seiner Flagge kein ähnliches Schicksal droht. „Wir ermitteln, auch mit Hilfe der Kolleginnen und Kollegen der Polizeibehörde aus der Region, in der der Geschädigte wohnt. Dabei geht es darum, den Sachverhalt genau zu analysieren und mögliche Tatverdächtige zu identifizieren“, teilte die Polizei in Gelsenkirchen auf Nachfrage der Deichstube mit. Wie gut die Chancen auf einen Rückerhalt der Fahne stehen, wagen die Beamten nicht zu prognostizieren. „Da die Ermittlungen andauern, können wir dazu keine belastbare Aussage treffen.“
Sicher ist nur: Was nach einem Kavaliersdelikt klingt, ist alles andere als das. „Sollte es sich um ein Raubdelikt handeln, wovon wir nach aktuellem Stand ausgehen, und wir einen Tatverdächtigen ermitteln, wird eine entsprechende Anklage bei der zuständigen Staatsanwaltschaft angeregt“, heißt es seitens der Polizei. „Die Höhe des Strafmaßes, über das ein Gericht entscheidet, richtet sich in so einem Fall nach Paragraph 249 StGB.“ Und das Strafgesetzbuch sieht in diesem Fall eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vor.
Die juristischen Folgen sind für Gerd Melloh allerdings zweitrangig. Er möchte einfach seine Fahne, die während der Europameisterschaft 1992 erstmals zum Einsatz kam und mit großen Lettern auf seine einstige Heimat Schwaförden hinweist, zurück. „Wenn das klappt, dann gebe ich einen aus“, meint er lachend. Und das ist nicht nur dahergesagt, für den Überbringer könnte sich die Rückgabe durchaus lohnen. Melloh betreibt in Sulingen nämlich den "Curryknaller" und hätte so allerlei Imbiss-Happen parat. Irgendwie muss sie ja schließlich weitergehen, die fast 30-jährige Geschichte des treuen Begleiters.
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