Wenn es losgeht, geht er voran: Ömer Toprak wird den SV Werder am Samstag gegen Hannover 96 als Kapitän ins erste Spiel der neuen Saison führen. Frisch gewählt von der Mannschaft und stolz, die Binde tragen zu dürfen, wie er sagt. Aber Toprak ist jetzt auch eine zusätzliche Last aufgebürdet worden.
Von einem Kapitän wird gemeinhin erwartet, dass er dem Verein die Treue hält. Gerade in stürmischen Zeiten. Dass er das machen wird – oder vielleicht richtiger: machen darf –, ist aber keinesfalls sicher. „Ich kann keine Garantie abgeben“, erklärt der 32-Jährige.
Über Topraks allgemeine Situation ist in den vergangenen Tagen schon viel berichtet worden. Sportlich im Grunde unverzichtbar, wirtschaftlich wegen eines für Zweitliga-Verhältnisse horrenden Jahresgehaltes von geschätzten 1,8 Millionen Euro eine hohe Belastung. Weshalb nicht allein sein Wille über die Zukunft entscheidet, sondern er grundsätzlich damit rechnen muss, dass Werder ihn abgeben würde, wenn ein Angebot von außen käme.
Es ist ein Feld voller Stolpersteine, auf dem sich Toprak bewegen muss. Vorsichtig versucht er, darauf seinen Weg zu finden. Weder bekundet er den fest Willen, mit Werder als Kapitän unbedingt durch die Saison in der 2. Liga gehen zu wollen, noch schließt er es grundsätzlich aus. „Es war nie mein Ziel, 2. Liga zu spielen, aber manchmal ist das im Leben so. Ich werde Gas geben, solange ich hier bin. Es ist ja auch eine Möglichkeit, gemeinsam wieder aufzusteigen“, sagt der ehemalige türkische Nationalspieler.
Maximal kleine Andeutungen tropfen aus diesen Aussagen, dass sein Fluchtinstinkt nach dem Abstieg nicht sofort eingesetzt hat, dass die Lust auf eine Zukunft in grün-weiß noch da ist. Toprak betont die persönliche, aber auch die kollektive Verantwortung für die entstandene Situation. „Ich habe mich nach dem Abstieg sehr schlecht gefühlt und war sehr enttäuscht, dass wir es gemeinsam verbockt haben. Es liegt jetzt an uns, an jedem Spieler, der da ist, es wieder gutzumachen.“
Das Team auf ein gemeinsames Ziel einschwören, alle in die Pflicht nehmen – das ist typisches Kapitänsgarn. Toprak zeigt, dass er das Handwerk beherrscht. Schließlich war er bei Bayer Leverkusen Vize-Kapitän, hat viele große Persönlichkeiten mit der Binde am Arm in seinen Teams (neben Leverkusen auch Dortmund) gehabt. Er nennt Michael Ballack, Simon Rolfes, Lars Bender, Marco Reus und Marcel Schmelzer. Die Wahl durch die Kollegen – unter Trainer Markus Anfang dürfen die Spieler per Abstimmung ihren „Chef“ selbst bestimmen – wird gewiss kein Fehler sein. Toprak selbst hat allerdings auf seinem Stimmzettel den eigenen Namen nicht notiert. Freimütig verrät er, für Maximilian Eggestein, Leonardo Bittencourt, Niclas Füllkrug, Marco Friedl und Jiri Pavlenka abgestimmt zu haben. Die meisten Nennungen bekam jedoch er. Teammanager Tim Barten habe es ausgezählt, „einen Notar haben wir ja nicht“, scherzt Toprak. Eggestein und Bittencourt sind der erste und zweite Stellvertreter, den Mannschaftsrat komplettieren Niclas Füllkrug und Christian Groß.
Die Mannschaft hat also auf Erfahrung gesetzt, hat – mit der Ausnahme Eggestein – die älteren Spieler gewählt. Toprak (seit Mittwoch 32 Jahre alt, 263 Bundesliga-Einsätze, 39 Champions-League-Partien, 27 Länderspiele für die Türkei) will nun für „ein gutes Arbeitsklima und eine gewisse Führung der jungen Spieler auch außerhalb des Platzes“ sorgen. Zudem wird es teamintern neue Regeln geben. Welche? Ein Geheimnis, meint Toprak. Nur der Zweck ist klar: „Es ist meine Aufgabe, dass alle fokussiert sind und im Training Gas geben. Der Mannschaftsrat und ich, wir werden dafür sorgen, dass jeder Spieler alles für den Verein gibt, solange er hier ist – einfach aus Respekt vor Werder Bremen.“