Montagsspiel gegen Stuttgart steht an Power oder Protest? Werders Fanszene ist gespalten

Fünf Montagsspiele pro Jahr soll es ab der übernächsten Bundesligasaison geben. Die Partie Werder gegen Stuttgart ist da quasi ein Testlauf. Und die Fans müssen sich entscheiden: Boykott oder Unterstützung?
28.04.2016, 00:00 Uhr
Lesedauer: 4 Min
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Power oder Protest? Werders Fanszene ist gespalten
Von Olaf Dorow

Fünf Montagsspiele pro Jahr soll es ab der übernächsten Bundesligasaison geben. Die Partie Werder gegen Stuttgart ist da quasi ein Testlauf. Und die Fans müssen sich entscheiden: Boykott oder Unterstützung?

Der Vorverkauf? Läuft gut, sagt Oliver Rau. Das Weserstadion dürfte nahezu ausverkauft sein am Montagabend, wenn um 20.15 Uhr Werders Spiel gegen den VfB Stuttgart angepfiffen wird. Rund 38.500 Karten für den Heim-Bereich seien schon weg. Für den Gästeblock, der aus drei Einzelblöcken, sogenannten Segmenten besteht, waren aus Stuttgart zunächst zwei Segmente mit circa 2500 Tickets geordert worden.

Rau, Werders Vertriebsdirektor, rechnet damit, dass schließlich ungefähr 1000 Stuttgarter kommen werden. Eventuell wird noch eine Tageskasse für VfB-Anhänger geöffnet.

Die Befürchtung, dass es ziemlich leer sein wird am Montagabend hinterm Osterdeich, ist unbegründet. Die Befürchtung, dass es vergleichsweise ziemlich still sein wird, ist nicht unbegründet. Wie in Stuttgart haben auch in Bremen mehrere Ultra-Gruppierungen zum Boykott des Spiels aufgerufen. Sie wollen damit ein Zeichen setzen gegen die Zerstückelung des Spielplans.

Ultra-Gruppe "Caillera": "Wir sind nicht die einzige Stellschraube"

Die DFL will demnächst fünf weitere Spiele auf einen Montag verlegen. Nur so ließen sich die Einnahmen auf dem TV-Markt steigern, sagt der Liga-Verband. „Wir verstehen uns als Teil des Spiels und als dieser sind wir davon überzeugt, dass die Fans nicht die einzige Stellschraube sind, um in diesem Wettbewerb Kapital zu erzeugen“, heißt es in einer Stellungnahme der Fan-Gruppe „Caillera“.

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Und nun? Bekommt das sportlich so bedeutungsvolle Werder-Spiel den atmosphärischen Rahmen eines Geisterspiels? Die Ultras besetzen auf der Osttribüne der Arena für gewöhnlich den Mittelblock. Sie sind, grob geschätzt, rund 700 Leute von etwa 7000 auf der Osttribüne, sie sind quasi das Herzstück dort.

„Es könnte ein bisschen gruselig werden, die Stimmung wird wohl nicht so gut werden wie gegen Wolfsburg“, sagt Johanna Göddecke vom Fan-Klub WFC #TWERDER, der vor zwei Wochen über den Hashtag #greenwhitewonderwall eine grandiose Stimmung rund um das Spiel gegen Wolfsburg initiiert hatte. „Aber ohne die Ultras wäre es nicht so laut geworden“, sagt die junge Werder-Anhängerin.

"Mors hoch": Nicht gegen die Ultras, sondern für den Klassenerhalt

Mit der Aktion „Mors hoch“ wollen sie und ihre Greenwhitewonderwall-Mitstreiter jetzt auch im Stuttgart-Spiel für Stimmung sorgen. Das Motto soll die Zuschauer auf den Sitzplätzen animieren, aufzustehen und die Mannschaft im Kampf um den Klassenerhalt kräftig anzufeuern. Göddecke betont, dass es keine Aktion gegen die boykottierenden Ultras, sondern ausschließlich eine wegen der alarmierenden sportlichen Situation ist. Sie findet das Anliegen der Ultras wichtig und richtig, sie sagt, dass sie selbst quasi zwiegespalten sei. Andere aus ihrer Gruppe seien das auch.

Sie sagt sogar: „Wenn Werder jetzt irgendwo gesichert im Mittelfeld stehen würde, dann würde ich auch nicht ins Stadion gehen.“ Sie will jetzt aber die Unterstützung der Mannschaft über ein politisches Statement stellen.

Und wenn die Stehplätze-Plätze der Ultras in der Mitte der Osttribüne durch andere Fans besetzt würden, fände sie das auch nicht richtig. Der innere Konflikt zwischen dem Montagsprotest hier und der Montagspower dort ist schwer aufzulösen. Die einen entscheiden sich, wie „Caillera“ schreibt, „schweren Herzens“ für den Protest und gegen die Power, andere entscheiden sich offenbar auch schweren Herzens genau andersherum.

Droht die ganz große Spaltung der Bremer Fanszene?

Werder-Fan Lars Kranenkamp, im Netz als „Burning Bush“ unterwegs und Autor des Blogs #werder2013, hält den Boykott für völlig legitim. Er sagt aber: „Was ich nicht verstehe, ist die Intention, dies am kommenden Montag zu tun. Aus meiner Sicht trifft man damit nicht die DFL, sondern den Verein.“ Nach seinem Verständnis der Ultra-Philosophie würde der Verein doch über allem stehen. Und nun würde man die eigenen Interessen trotzdem nicht hintenanstellen.

So bringt dieses Spiel am Ende des 32. Spieltags nicht nur auf dem Rasen eine besondere Brisanz mit sich, sondern auch auf den Rängen. Droht gar die ganz große Spaltung der Bremer Fan-Szene, weil die einen aus Protest boykottieren und die anderen den Protest richtig, aber den Boykott falsch finden? Quasi den Boykott boykottieren, indem sie hingehen und auch noch dazu aufrufen, sich diesmal ordentlich ins Zeug zu legen? Mors hoch? Schmähungen in die eine oder andere Richtung gibt es ja genug in den Internet-Kommentaren und -Foren.

„Der respektvolle Umgang unter den Fans ist uns sehr wichtig“, sagt Werders Fanbetreuer Till Schüssler. Die einen mögen bitte den Protest der Ultras respektieren, die anderen mögen bitte die Anfeuerung der Nicht-Ultras respektieren, es solle sozusagen nur auf dem Rasen und nicht auf den Rängen einen Sieger geben am Ende dieses Abends.

Letztes Werder-Montagsspiel: 4:1 gegen Bayern

Man wolle sich möglichst wenig einmischen – und es irgendwie „hinnehmen, dass es am Montag womöglich etwas anders ist als sonst“. Die Zerstückelung des Spieltags sieht er ja auch kritisch. Das Anliegen der Ultras sei „nachvollziehbar“. Einen Riss, der fortan durch die republikweit gelobte Bremer Fanformation gehen wird, befürchtet er aber nicht, auch Johanna Göddecke befürchtet das nicht.

Oliver Rau sagt, dass es schon mehrmals, viermal bislang, ein Montagsspiel gab in Werders Bundesligageschichte. Das letzte übrigens Ende April 1993. 4:1 gegen den FC Bayern, ein Meilenstein auf dem Weg zur Deutschen Meisterschaft. Ein Präzedenzfall sei das also gar nicht jetzt. Optisch werde das Fehlen der Ultras vielleicht kaum auffallen.

„Akustisch vielleicht schon“, schätzt Rau. Das wird auch für ihn spannend sein zu beobachten. Falls es jemanden geben sollte, dem das noch zu wenig betont wurde bislang: Es wird sehr spannend werden am Montag.

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