Es war im November 2014, also ziemlich genau vor drei Jahren, als Werder alle überraschte. Im Heimspiel gegen den VfB Stuttgart flankte Zlatko Junuzovic einen Eckball nicht hoch vor das Tor. Nein, er passte flach an die Strafraumgrenze. Genau dorthin hatte sich Fin Bartels im Rücken seines Gegenspielers geschlichen, und der Stürmer beförderte den Ball per Direktabnahme ins Netz, während die Stuttgarter Verteidiger erstaunt zuschauten. Es war der 2:0-Endstand, und der Treffer wurde sogar zum Tor des Spieltags gewählt.
Der Bremer Trainer hieß damals Viktor Skripnik. Seine Assistenten waren Torsten Frings und Florian Kohfeldt, der heutige Chefcoach. Die ungewöhnliche Eckball-Variante aus dem Stuttgart-Spiel hatte sich zwar Torwart-Trainer Christian Vander bei der U 20-Nationalmannschaft abgeguckt, für die er ebenfalls arbeitete. Kohfeldt war unter Skripnik aber auch dafür zuständig, mit dem Team Standardsituationen einzustudieren. Wie sich später herausstellte, hatte Werder den kreativen Trick vor dem Stuttgart-Spiel mehrfach geübt, allerdings hatte er im Training nie richtig funktioniert. Im Spiel klappte er dann umso besser.
Was die Bremer heute für Eckball-Varianten im Repertoire haben, lässt sich kaum sagen. Standardsituationen werden in der Regel unter Ausschluss der Öffentlichkeit trainiert. Fakt ist aber: Solch eine überraschende Variante wie vor drei Jahren gegen Stuttgart war von Werder schon länger nicht mehr zu sehen. In der laufenden Saison fliegen die Eckbälle in der Regel hoch in den Strafraum, mal auf den ersten Pfosten, mal auf den Elfmeterpunkt. Ex-Trainer Alexander Nouri versuchte eine Zeit lang, die Gegner zu verwirren, indem sich zwei potenzielle Schützen an die Eckfahne stellten, doch die anderen Teams ignorierten das einfach.
Im Schnitt 35 Ecken für einen Treffer
Werders Ertrag nach Eckbällen ist also gering. Lamine Sané traf im Anschluss an eine Ecke gegen Schalke, nachdem Ludwig Augustinsson an den Pfosten geköpft hatte. Diese Variante wirkte einstudiert. Niklas Moisanders Tor nach einem Eckball in Frankfurt fiel dagegen eher zufällig, denn der Abwehrspieler stocherte den Ball aus dem Gewühl heraus über die Linie. Im Pokal kam noch Ishak Belfodils Treffer gegen Hoffenheim dazu, der aus einer Ecke resultierte. Das war es.
Zwei Tore nach insgesamt 71 Eckbällen stehen für die Bremer somit in der Liga zu Buche. Sie brauchen im Schnitt 35 Ecken für einen Treffer. Zum Vergleich: In der Saison 2015/16 reichten 16 Ecken für ein Tor. Aus 148 Eckbällen machte Werder damals neun Treffer, und der Co-Trainer hieß Kohfeldt. In der vergangenen Spielzeit 2016/17 war die Quote der Bremer deutlich schlechter, denn ihnen gelangen nur drei Tore bei 128 Ecken, sie trafen also nur nach jedem 43. Eckball. Dafür waren sie aber nach Freistößen brandgefährlich und erzielten insgesamt 19 Treffer nach Standards, was im Ligavergleich der viertbeste Wert war.
Aktuell trifft Werder nach Freistößen gar nicht, nach Ecken nur sehr selten und hat noch keinen Elfmeter erhalten. Zwei Standardtore sind der zweitschlechteste Wert der Liga. Dabei wären Tore nach ruhenden Bällen momentan immens wichtig, denn der Werder-Sturm war meist ein laues Lüftchen. „Wir hätten uns natürlich gewünscht, in jedem Spiel ein Tor aus Standards zu machen, aber es wäre falsch, an der grundsätzlichen Qualität zu zweifeln“, betont Florian Kohfeldt. Er verweist auf eine Kopfballchance für Thomas Delaney nach einer Ecke während des Hannover-Spiels und auf eine scharfe Freistoßflanke, die Leipzigs Dayot Upamecano fast ins eigene Netz geköpft hatte. „Wir haben Räume gefunden, die wir anspielen wollten„, sagt der Trainer. “Die Qualität der Standards ist gut. Das wird demnächst zu Zählbarem führen.“
Vielleicht ja wieder gegen Stuttgart? Am kommenden Sonnabend gastierten die Schwaben im Weserstadion, und Werders etatmäßiger Eckballschütze heißt immer noch Junuzovic, genau wie vor drei Jahren. In Leipzig wurde der verletzte Österreicher in dieser Disziplin zwar von Augustinsson vertreten, doch am Wochenende wird er voraussichtlich wieder fit sein. Der damalige Torschütze des Spieltags Bartels ist auch noch da. Vander und Kohfeldt ebenfalls. Da müsste doch eine kreative Eckball-Variante möglich sein.
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