Er lief. Und lief. Und lief. Allerdings nur an der Seitenlinie. Aus einer Einwechslung wurde für Fabio Chiarodia nichts. Dabei waren sogar seine Liebsten da. „Meine ganze Familie wird im Stadion sein, um mich für Italien spielen zu sehen“, hatte der Jungprofi des SV Werder Bremen auf der Internetseite des nationalen Fußballverbandes angekündigt. Die Angehörigen sahen immerhin, wie der gebürtige Oldenburger am Mittwochmittag gleich dreimal tief in eine Jubeltraube eintauchte. Denn zum Auftakt des U19-EM-Qualifikationsturnieres in Bremen gewann Italiens Auswahl auf Platz 11 am Weserstadion durchaus überraschend gegen den deutschen Nachwuchs mit 3:2 (2:0).
Des einen Freud ist meist des anderen Leid. Theoretisch sogar in doppelter Hinsicht. Zum U19-Kader des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) gehört nämlich auch Werder-Torhüter Mio Backhaus, der aktuell aber die Nummer zwei ist und somit ebenfalls 90 Minuten lang Zuschauer blieb. „Mio hat eine exzellente Perspektive. Bei uns hatte er in den letzten Jahren aber den einen oder anderen Fehler zu viel“, erklärte Trainer Guido Streichsbier hinterher. „Das gehört aber zum Entwicklungsprozess dazu. Er ist ein großes Talent und wir wissen, dass er ein riesiges Potenzial hat – genau deshalb ist er auch dabei. Vielleicht steht er in einem halben Jahr plötzlich auch ganz anders da und marschiert durch.“
Werder Bremen: Backhaus trainiert regelmäßig mit den Profis
Backhaus, der bei Werder regelmäßig mit den Profis trainiert und sonst in der U19-Bundesliga zwischen den Pfosten steht, nimmt seine Rolle offenkundig ganz gut an. „Mio hat eine exzellente Einstellung, ist ein Topcharakter“, schwärmte Streichsbier. „Auch als Nummer zwei ist er voll integriert, pusht die Gruppe und übernimmt Verantwortung. Solch einen Spieler werde ich immer fördern und er wird auch immer seine Einsatzzeiten kriegen.“ Bei den nächsten beiden Partien vor der Haustür gegen Belgien (25. März, 16 Uhr, Oberneuland) und Slowenien (28. März, 12 Uhr, Platz 11) allerdings wohl nicht. Weil Konkurrent Frank Feller (1. FC Heidenheim) derzeit gesetzt ist. „Frank hat es in der ersten Quali-Runde im September sehr gut gespielt, wir haben nur ein Gegentor bekommen“, erinnerte Streichsbier. „Wir können da Mio jetzt nicht einfach ins Tor stellen, nur weil wir in Bremen zu Gast sind. Es zählt immer der Leistungsgedanke.“
In der deutschen Abwehr könnte dagegen durchaus etwas passieren. Die Hintermannschaft machte gegen Italien nämlich einen alles andere als sattelfesten Eindruck. HSV-Nachwuchs-Chef Horst Hrubesch, einer von zahlreichen prominenten Gästen auf der Tribüne und selbst jahrelang beim DFB in Sachen Talentförderung unterwegs, monierte zur Pause etwa: „Das ist zu wenig.“ Da lag Deutschland bereits mit 0:2 zurück. Werder-Coach Ole Werner war mit seinem Trainerteam just von der kurz zuvor nebenan beendeten Übungseinheit eingetroffen, als er nach schwerwiegenden Defensivfehlern die Tore von Niccolo Pisilli (18.) und Luca D’Andrea (24.) zu sehen bekam. In der Halbzeitpause trudelte dann auch das Spielerpersonal des Bundesligisten ein und wurde direkt mit einer Aufholjagd verwöhnt. Muhammed Damar (TSG Hoffenheim/53.) und Yusuf Kabadayi (FC Bayern München/59.) glichen zum 2:2 aus, ehe der nächste Patzer zum zweiten und entscheidenden Pisilli-Treffer (67.) führte.
„Wir kennen die Mannschaft jetzt seit anderthalb Jahren, doch so etwas wie in der ersten Halbzeit gab es noch nie. Da stand eigentlich jeder neben sich und es gab eine enorme Nervosität“, ärgerte sich Streichsbier. „Das hat uns wirklich überrascht, weil die Jungs ja fast alle schon in Profiligen spielen.“ Die Hoffnung auf eine EM-Teilnahme hat so einen herben Dämpfer erhalten. „Wir kennen den Modus: Es kommt nur Einer durch, und es zählt auch noch der direkte Vergleich. Wir haben keine Trümpfe mehr in der Hand“, meinte der DFB-Coach, der dennoch optimistisch blieb: „Aber es ist ein Turnier – und das wird bis Dienstag gespielt."