Als Lee Buchanan in der 71. Minute während Werder Bremens 1:2-Heimniederlage gegen Union Berlin für Anthony Jung ins Spiel kam, war ihm der Wille, das Ruder noch herumzureißen, deutlich anzusehen. So zog der 21-Jährige in seiner ersten Aktion auf der linken Außenbahn prompt zum Vollsprint an, um Gegenspieler Robin Knoche unter Druck zu setzen. Zu einem Ballgewinn führte der beherzte Lauf zwar nicht, und doch stand die Szene sinnbildlich für das, was Buchanan sich an der Weser für die kommenden Wochen fest vorgenommen hat: Er will sich einen Stammplatz erobern.
„Es ist immer schwierig, wenn man nicht spielt. Das geht jedem Spieler so“, erklärte der schüchtern, aber reflektiert wirkende Buchanan am Tag danach bei einem seiner ersten öffentlichen Auftritte in Bremen im „Werder Strom-Talk“. „Aber du musst positiv bleiben, weil deine Chance kommt. Und wenn du sie erhältst, dann musst du sie ergreifen und dich festspielen. Hoffentlich passiert das bald. Natürlich will ich mehr spielen.“
In der Hinrunde ist Werders neuer Linksverteidiger aus der englischen Gemeinde Mansfield in elf Bundesliga-Partien zum Einsatz gekommen. Am erfahrenen Kontrahenten Anthony Jung (31) war für Buchanan trotz seines Traumtores beim spektakulären 3:2-Sieg gegen den BVB bislang kein Vorbeikommen. Nur einmal, bei der 0:2-Pleite in Freiburg Mitte Oktober, stand der Sommer-Neuzugang von Derby County in der Startelf von Trainer Ole Werner. Nach einem eher unglücklichen Auftritt im Breisgau durfte Buchanan in den folgenden vier Partien vor der Winterpause dann überhaupt nicht mehr ran. Ein Rückschlag zum Abschluss eines nicht ganz einfachen ersten Halbjahres in Deutschland, vor dem Buchanan die wohl schwierigste Entscheidung seines Lebens treffen musste. Denn im vergangenen Sommer fasste der frühere englische U21-Nationalspieler den Entschluss, seine Heimat und seine Familie zu verlassen.
„Es war eine große Entscheidung, von meiner Familie wegzugehen“, erklärte Buchanan, der zugleich betonte: „Aber bereut habe ich sie nicht.“ Auch wenn die Anfangszeit in Bremen nicht immer leicht gewesen sei. Tatsächlich habe es eine Weile gedauert, bis er sich in Norddeutschland wohl fühlte, „weil ich ein paar Monate im Hotel gelebt habe“. Das sei nicht so schön gewesen. „Aber inzwischen habe ich meine eigene Wohnung. Jetzt fühle ich mich richtig wohl hier“, sagte Buchanan mit einem Lächeln.
Buchanan sieht Wechsel nach Bremen als große Chance
Bei der Integration geholfen haben ihm vor allem auch seine Teamkollegen Oliver Burke, Jens Stage, Felix Agu, Milos Veljkovic oder auch Manuel Mbom, die allesamt fließend Englisch sprechen und zu Buchanans besten Kumpels im Team zählen. „Wir haben eine kleine Gruppe, mit der wir in der Freizeit immer viel zusammen machen können“, sagte Buchanan, der beispielsweise mit Agu und Burke eine Zeit lang privat gemeinsam ins Fitnessstudio ging.
Den Wechsel in die Bundesliga sieht der Mann, der zuvor 70 Spiele für Derby County in der Championship, der zweiten englischen Liga, absolvierte, nicht nur als logischen nächsten Schritt seiner noch jungen Laufbahn an, sondern auch als große Chance. „Klar, gibt es einige junge englische Spieler, die nach Deutschland gekommen sind und ihre Sache sehr gut gemacht haben. Es ist eine sehr gute Liga, es ist der nächste Step für mich. Ich kann mich hier gut weiterentwickeln.“
Weiterentwickeln muss sich schnellstens auch das gesamte Team. Nach zuletzt vier Pleiten in Folge hakt es bei Werder sportlich nämlich aktuell. Darunter leidet auch ein wenig die Stimmung in der Kabine, wie Buchanan bestätigte: „Es ist immer schwierig, wenn man Spiele verliert. Jetzt haben wir zu Jahresbeginn zwei Spiele am Stück verloren. Aber wir dürfen uns davon nicht zu sehr beeinflussen lassen, sondern müssen am Samstag direkt wieder Gas geben, um den Turnaround zu schaffen.“
Dann empfangen die Bremer ab 15.30 Uhr mit dem VfL Wolfsburg das Team der Stunde im Wohninvest Weserstadion. Grund zur Sorge? Nein, findet Lee Buchanan. „Es wird ein schönes Spiel. Sie haben zuletzt zwar sehr gut performt. Aber wir haben auch eine super Mannschaft, mit guten Einzelspielern und tollen Charakteren. Wir wollen die zwei Niederlagen zum Jahresbeginn abschütteln und uns ein positives Ergebnis holen. Es ist die perfekte Gelegenheit, das zu tun.“ Und wer weiß, vielleicht darf Lee Buchanan gegen die Wölfe ja schon von Anfang an die linke Seite rauf und runter sprinten.