Es sollte der erste Schritt zum Klassenerhalt werden. Was Werder im Hinspiel der Relegation gegen Heidenheim ablieferte, war eines Bundesligisten nicht würdig. Behäbig, mutlos und ohne Ideen spielten die Bremer beim 0:0 gegen den Zweitligisten. Ein Auftritt, der viele Fragen offen lässt. In der 78. Minute kam Werder zur ersten Torchance, ein Kopfball von Yuya Osako. Kapitän Niklas Moisander sieht die Gelb-Rote Karte und fehlt im Rückspiel. Es bedarf einer enormen Leistungssteigerung, wenn Werder am Montag im Rückspiel in Heidenheim den nötigen Sieg einfahren und damit die Klasse halten will.
Es gab zwei zentrale Fragen vor dem Spiel. Wer ersetzt Kevin Vogt im zentralen Mittelfeld? Florian Kohfeldt entschied sich für Philipp Bargfrede. Einerseits überraschend, da Bargfrede längst nicht mehr im Vollbesitz seiner Kräfte ist, wie Kohfeldt zugibt. „Er wird mit Sicherheit keine 90 Minuten spielen können. Davon müssen wir ausgehen“, sagte der Trainer am Tag vor dem Spiel. Andererseits fehlen ihm auf dieser Position Alternativen, deshalb war die Aufstellung Bargfredes auch erwartbar.
Die zweite Frage war die nach der richtigen Einstellung. Heidenheim war am letzten Spieltag der Saison gegen Zweitliga-Meister Arminia Bielefeld beim 0:3 nahezu chancenlos. Es war keine Partie die dazu taugte, Selbstvertrauen und Euphorie für die Relegation zu entfachen. Werder hingegen nahm durch das 6:1 gegen den 1. FC Köln Fahrt auf. Wichtige Spieler wie Niclas Füllkrug, Milot Rashica, Yuya Osako oder Davy Klaassen erzielten Tore, was keine schlechte Voraussetzung für die Spiele gegen Heidenheim war. Oder sorgen die ungleichen Vorzeichen für Überheblichkeit der Bremer?
Werder wollte dem Zweitligisten von Beginn an mit Wucht begegnen, diesen Schluss legte die Aufstellung nahe. Statt Füllkrug zunächst auf die Bank zu setzen, um bei Bedarf nachlegen zu können, stürmte er von Beginn. An seiner Seite erneut, wie schon gegen Köln, mit Rashica und Osako.
Zum Auftakt des Spiels war davon jedoch nichts zu sehen. Werder hatte zwar bereits nach 90 Sekunden die erste Ecke herausgeholt, die blieb aber ohne Ertrag. Heidenheim zeigte nur wenig später nach einem Ballverlust Bargfredes, wo die Stärke der Mannschaft liegt: Blitzschnell starteten sie einen Konter. Dabei sprang ein Eckball heraus, und Griesbeck wuchtete mit seinem Kopfball den ersten Ball Richtung Bremer Tor. Nach zehn Minuten setzte Sessa einen Schuss aus 20 Metern knapp links neben des Tor von Jiri Pavlenka.
Aggressiv, schnell und laufstark begannen die Heidenheimer, sie pressten früh und zeigten sich damit mutig. Werder wirkte ein wenig überrascht und hatte dem zunächst wenig entgegenzusetzen. Früh wurden die Bälle verloren, weil der Pass nicht ankam oder der Gegner hartnäckig störte und den Zweikampf gewann. Niklas Moisander holte sich nach 17 Minuten eine Gelbe Karte ab, als er Sessa nur mit einem Foul stoppen konnte.
Erst danach kam Werder in längere Phasen des Ballbesitzes, allerdings nicht in der gefährliche Zone des Spielfelds. Dafür war erneut Heidenheim zuständig. Nach einem Ballverlust von Friedl schnappte sich Kleindienst den Ball und stürmte auf das Bremer Tor. Seinen Schuss aus 18 Metern parierte Pavlenka. Erst danach entschied Schiedsrichter Felix Zwayer auf Abseits.
Zwayer stand wenig später erneut im Mittelpunkt. Griesbeck sprang der Ball kurz vor dem Strafraum an die Hand, ein Pfiff blieb jedoch aus. Werder protestierte, ohne Erfolg.
Die größte Chance des Spiels bisher hatten wenig später die Gäste. Multhaup dribbelte auf der rechten Seite in den Bremer Strafraum und war in bester Schussposition, traf den Ball jedoch falsch und haute ihn auf die Tribüne. Das hätte durchaus die Führung sein können.
Und Werder? Zeigte sich so wie über weite Strecken der Saison. Der Spielaufbau dauerte viel zu lange, war bisweilen behäbig. Das Passspiel war häufig zu unpräzise. Besonders im letzten Drittel rund um das Heidenheimer Tor landeten fast alle Bälle beim Gegner. Es fehlte jedoch auch die Aggressivität und Leidenschaft, die es braucht in den beiden wichtigsten Spielen der Saison. Werder wirkte in großen Teilen der ersten Hälfte hilflos und ohne Ideen gegen den Zweitligisten. Es gab, auch das keine Seltenheit in dieser Saison, keine einzige echte Bremer Torchance in den ersten 45 Minuten.
Entsprechend ernüchtert war Marco Bode in der Halbzeit beim Interview mit „DAZN": „Wir können noch nicht zufrieden sein mit dem Spiel. Wir müssen schneller spielen, die Pässe und die Läufe in die Tiefe hinbekommen, um zu Torchancen zu kommen." Aus 73 Prozent Ballbesitz hatte Werder viel zu wenig gemacht. Für die zweite Halbzeit forderte Werders Aufsichtsratsvorsitzender mehr Engagement der Bremer Spieler: „Wir müssen intensiver in die zweite Halbzeit kommen, wir müssen angefasster sein. Wir wollen ein positives Ergebnis haben. Ein 0:0 ist das nicht."
Positiver war nach dem Anpfiff des zweiten Durchgangs aber wenig. Heidenheim presste weiter früh in der Bremer Hälfte, war bissig in den Zweikämpfen. Werder versuchte es mit einem Fernschuss durch Osako, der geblockt wurde. Rashica und Eggestein setzten mit Schüssen nach, vergeblich.
Wer mit einem Sturmlauf gerechnet hatte, mit mehr Aggressivität, mehr Willen dieses Spiel zu gewinnen, wurde enttäuscht. Werder wirkte blockiert und mental nicht in der Lage, das Spiel in andere Bahnen zu lenken. Der Wert Kevin Vogts wurde deutlich, es fehlte eine ordnende Hand, es fehlte eine Idee.
In der 65. Minute reagierte Kohfeldt. Klaassen, Füllkrug und Bargfrede holte er vom Feld, Bittencourt, Groß und Bartels kamen rein. Einen sichtbaren Effekt hatte dieser dreifach Wechsel aber nicht.
Heidenheims Offensivkraft nahm ein wenig ab, die hohe Intensität ihres Spiel erforderte Tribut. Sessa musste nach 59 Minuten ausgewechselt werden weil er Krämpfe hatte. Werder war jedoch nicht in der Lage, ihrerseits das Tempo zu erhöhen.
Bezeichnend, dass es in der 78. Minute zur ersten Bremer Torchance kam. Eine Flanke von Bartels setzte Osako per Kopf zwei Meter über das Tor. In der 86. Minute folgte ein weiter Rückschlag: Moisander sieht nach Foul an Griesbeck die Gelb-Rote Karte, der Kapitän fehlt damit im Rückspiel. Immerhin kehrt Vogt zurück.
Aber egal, welche elf Spieler am Montag auf dem Platz stehen, es muss alles besser werden, wenn Werder kommende Saison in der Bundesliga spielen will.