Solidarität ist in aktuellen Zeiten eins der wichtigsten Schlagwörter, der Fußball macht da keine Ausnahme. Er wird gerade einem Stresstest unterzogen, der in dieser Form wohl einmalig ist. Für eine erste Hilfe haben sich die vier Teilnehmer der Champions League zusammengeschlossen. Bayern, Dortmund, Leipzig und Leverkusen verzichten auf Anteile der noch nicht verteilten nationalen Medienerlöse. Die 12,5 Millionen Euro, die zusammenkommen, runden die Klubs auf 20 Millionen Euro auf. Über die Verteilung des Geldes soll die DFL bestimmen.
Die Reaktionen auf diese Hilfe, die auf eine Idee von Bayerns Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz Rummenigge zurück geht, sind in beiden Bundesligen verhalten. Auch Werder reagiert nüchtern: „Das ist ein erstes, wichtiges Zeichen der Solidarität unter den Klubs in dieser dramatischen Krise„, sagt Klaus Filbry auf Anfrage des WESER-KURIER. „Es wäre wünschens- und erstrebenswert, wenn diese Maßnahme den Startschuss für eine grundsätzliche Diskussion über Solidarität im Fußball darstellt. Diese Diskussion zu führen, erscheint uns derzeit drängender und wichtiger, als die genaue Verteilung der bereitgestellten Mittel.“
Einzelne Hilfsaktionen reichen nicht
Es geht, soll das heißen, um das große Ganze und nicht um Hilfe, die zwar gut gemeint ist, im Endeffekt aber wenig bringt. Ein Ansatz, dem Klaus Allofs sich anschließt. „Es ist eine starke Geste, ein Zeichen von Solidarität. Ich kann mir aber vorstellen, dass der Rest der Liga weiß, dass es mit einzelnen Hilfsaktionen nicht getan ist und gemeinsame Handlungen folgen müssen", sagt er im Gespräch mit dem WESER-KURIER.
Wie verändert sich der Fußball durch die Folgen der Corona-Pandemie? Das ist die Frage, die derzeit alle in diesem Geschäft umtreibt, auf die aber niemand eine Antwort weiß. Kurzfristig, sagt Allofs, gehe es darum, das System am Leben zu erhalten. Unter anderem über einen Gehaltsverzicht derer, die gut verdienen: Spieler, Trainer, Manager. „Wenn ein Klub 30, 40 Prozent weniger Einnahmen hat, muss es sich auswirken auf die momentane vertragliche Situation", sagt Allofs. Für wie lange, wird man im Detail klären müssen.
Niemand will insolvente Klubs
Andererseits sollten vertragliche Konstruktionen überdacht werden. „Wenn Verträge zum Saisonende auslaufen, muss es Lösungen geben, die das Arbeitsrecht so vielleicht nicht hergeben„, sagt Allofs. Vermieden werden muss, dass Vereine ohne Spieler da stehen oder ohne Ablösesummen, die den Fußball im Kern zusammen halten. „Dieses System muss man versuchen, weiter funktionieren zu lassen. Keinem kann daran gelegen sein, dass zig Klubs in die Insolvenz gehen.“
Es ist aber auch der Moment um zu überlegen, ob das System auch anders funktionieren könnte. Ob es anders vielleicht besser funktionieren würde. „Wenn die unmittelbare Krise überwunden ist, wird von den Verantwortlichen erwartet, den Blick in die Zukunft zu richten und sich zu fragen, was anders gemacht werden kann", erklärt Allofs. „Wir können schauen, wie das System auf nicht vorhersehbare Probleme reagiert. Ob wir eine gewisse Zeit überstehen können. Ob es einen Sicherungsmechanismus gibt. Kann alles zu 100 Prozent mit Ja beantwortet werden, gibt es wenige Gründe, Grundlegendes zu verändern", sagt der 63-Jährige. „Bringt diese Situation die Liga trotz guter Einnahmesituation sehr schnell in eine existenzbedrohende Lage, dann muss man darüber nachdenken, etwas zu verändern."
Gedanken an Rücklagen vernachlässigt
Es gibt Gründe, Grundsätzliches zu verändern. Wenn der Fußball trotz der vielen Milliarden Euro, die er bewegt, sehr schnell über Gehaltsverzicht oder Kurzarbeit diskutieren muss, um zu überleben, stecken Fehler im System. Beispielsweise der, dass nicht genügend finanzielle Mittel für schwierige Zeiten gebunden wurden. „Man kann sagen, dass die Klubs bei den immer steigenden Einnahmen, insbesondere aus den Medienrechten, den Gedanken an Rücklagen vernachlässigt haben", sagt Allofs.
Unter den Einnahmen aus den Medienrechten sind in erster Linie die aus den Fernsehverträgen zu verstehen. Sie sind die wichtigste und größte Einnahmequelle der Klubs. 4,64 Milliarden Euro für vier Jahre werden bis 2021 erlöst. Zur Bildung von Rücklagen wurde diese üppig sprudelnde Geldquelle bisher nicht genutzt. Allofs versteht das durchaus: „Es ging im Fußball in den letzten Jahren nur bergauf. Immer höhere Zahlen, immer höheren Einnahmen. In Zeiten, in denen der Boom scheinbar Normalität ist, ist man weniger bereit in eine solche Richtung zu denken."
DFL, Uefa oder Fifa müssen mitspielen
Jetzt ist der Boom gestoppt, der Fußball steht vor einer Krise. Da sind neue Regeln möglich und machbar. Allofs regt an, künftig einen gewissen prozentualen Anteil der Fernsehgelder zur Bildung von Rücklagen zu nutzen. Fest steht für Werders ehemaligen Manager: „Es muss eine gesamtheitliche Lösung sein. Es müsste in einer Form verpflichtend sein, dass keiner die Möglichkeit hätte, auszuscheren.„ Für den Umgang mit den Rücklagen müssen Regeln gelten: „Die Gelder sollten zweckgebunden eingesetzt werden.“ Das gehe nur, wenn Institutionen wie DFL, Uefa oder Fifa mitspielen.
Genügend Ressourcen seien vorhanden. „Ich bin davon überzeugt, dass die Möglichkeiten das hergeben. Und dass deshalb nicht wesentlich weniger Geld verdient wird„, sagt Allofs. Das seien gute Gründe, den Plan eines Krisen-Fonds aus Fernsehgeldern zumindest zu diskutieren. „Ich denke, dass das kein so schlechter Ansatz ist.“
Neu ist der Plan nicht, schon vor Jahren wurde darüber gesprochen. Dann sei man aber nicht so recht weiter gekommen, sagt Allofs. Das könnte jetzt anders sein.