Taktik-Analyse zur Gladbach-Partie Eine Leistung, auf der sich aufbauen lässt

Werder schlug sich in beachtlicher Manier gegen ein eigentlich individuell überlegenes Team. Gerade die phasenweise offensive Präsenz der Bremer bereitete Borussia Mönchengladbach mehr Probleme als gedacht.
20.01.2021, 11:04 Uhr
Lesedauer: 3 Min
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Von Constantin Eckner

Zahlen lügen auch im Fußball nicht. In den vergangenen zweieinhalb Jahren sank die Zahl der von Werder im letzten Spielfelddrittel gespielten Pässe stetig ab: von 46,4 Pässen pro Spiel in der Saison 2018/19 auf 36,4 in der Vorsaison auf 29,8 in dieser Saison. Auch die Anzahl an Passsequenzen, die Werder bis ins letzte Spielfelddrittel führten, wurden konstant weniger: von 70 auf 64,3 auf 55,1 pro Partie. (Angaben laut Twenty3.) Die Offensivpräsenz verschwand zusehends und der mittlerweile doch recht charakteristische Vorsichtsfußball hielt Einzug.

Auch die Partie gegen Borussia Mönchengladbach begann damit, dass Werder in der eigenen Spielhälfte weitestgehend eingeschnürt war und anfangs gerade mal 24 Prozent Ballbesitz hatte. Florian Kohfeldt hatte lediglich eine Änderung in der Startaufstellung vorgenommen: Romano Schmid spielte von Beginn an für Davie Selke, womit die Elf aus der Schlussphase aus der Partie gegen den FC Augsburg auf dem Rasen stand. Taktisch war alles beim Alten – Werder spielte in einer 3-5-2-Grundordnung mit einem offensiver eingestellten Jean-Manuel Mbom und einem etwas tiefer postierten Maxi Eggestein auf den Halbpositionen im Mittelfeld.

Die angesprochenen 24 Prozent Ballbesitz nach 15 Minuten waren die Folge eines sehr unsicheren Spielaufbaus. Jeder Aufbaupass der Grün-Weißen, der sich aus der ersten Linie herausbewegte, hatte das Potenzial, im Desaster zu enden. Die Gladbacher attackierten in ihrem 4-4-2 mit größter Intensität die Bremer Abwehrspieler. Darüber hinaus entnervte Hannes Wolf, der für Lars Stindl spielte, Eggestein und Kevin Möhwald ungemein. Sobald der Ball einmal durch die erste Gladbacher Linie hindurch ging, war der Ex-Salzburger zur Stelle und attackierte die Sechser. Ballverluste waren zu Beginn vorprogrammiert.

Dann allerdings legte Werder den Schalter um, was zwei Gründe hatte: Zum einen konnte Gladbach – wie so häufig in dieser Saison – die Intensität nicht für immer so hoch halten und musste gerade im Angriffspressing etwas nachlassen. Zum anderen spielte Werder zunehmend gefälliger durch die ersten Linien. Sobald einige Vorwärtspässe erfolgreich waren, gewannen die Bremer sichtlich an Selbstvertrauen.

Doch es war nicht nur Kopfsache, dass Werder mit Verlauf der Partie, immer häufiger den Weg durch die Gladbacher Verteidigungsreihen fand. Kohfeldts Spieler verstanden es auch taktisch gut, das Pressing der Fohlen zu umspielen. Die breiten Aufbaupässe in der ersten Linie in Kombination mit den schnellen Weiterleitungen von Eggestein und auch Möhwald ermöglichten es den beiden Flügelspielern, vermehrt über die Außenbahn durchzubrechen. Dabei war die rechte Seite mit Eggestein die etwas Passspiel-lastigere, während auf links Felix Agu häufiger mit langen Verlagerungsbällen angespielt wurde.

Ein weiterer Kniff gegen Gladbachs Defensivsystem war die Positionierung von Mbom, der einmal mehr in der ersten und zweiten Aufbauphase weit vorrückte und quasi als linker Halbstürmer das Pendant zu Schmid darstellte. Dieser Dreierangriff band zusätzliche Kräfte der Fohlen, die natürlich die Innenverteidigung nicht in einer Unterzahlsituation zurücklassen konnten. Auch deshalb griffen Christoph Kramer und Florian Neuhaus seltener im Mittelfeldpressing ein und unterbrachen nur gelegentlich den Passfluss von Werder.

In der zweiten Halbzeit erlebte Bremen dann einige Wellenbewegungen in der eigenen Performance. Die Gladbacher konnten sich phasenweise wieder mehr Ballbesitz erarbeiten und zwangen somit Werder stärker in den Verteidigungsmodus. Aber große Gefahr strahlten die Hausherren trotzdem nur punktuell aus. Am Ende war es eine lapidare Freistoßflanke, die von Nico Elvedi, der sich mit einem guten Lauf unter anderem von Josh Sargent wegstehlen konnte, in ein Tor umgemünzt wurde.

Dass Gladbach-Trainer Marco Rose zum Schluss noch einen dritten Zentralverteidiger einwechselte, um das Ergebnis nach Hause zu retten, sprach auch für die Leistung von Werder. Statt der üblichen knapp 30 Pässe im letzten Drittel spielte die Mannschaft dieses Mal 42. Den Fohlen war die gefällige Offensivspielweise von Bremen gar nicht angenehm. Dafür kann sich ein Team am Ende auch nichts kaufen, wenn denn keine Punkte für die wichtigste Statistik von allen – nämlich die Tabelle – herausspringen. Aber: Auf solch einer Leistung lässt sich aufbauen, weil das „Wie“ stimmte.

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