Die Belohnung wartete ganz unten im Bus, im Laderaum. Zwischen zahlreichen Transportkisten und Taschen, die in der Bielefelder Nacht gerade wieder eingeladen wurden, strahlten sie dort leuchtend Gelb: die beiden Cola-Kisten, je 24 Flaschen à 0,2 Liter. Man muss die Feste eben feiern, wie sie fallen, heißt es ja, und gerade deshalb ergab die buchstäblich nüchterne Getränkewahl durchaus Sinn – denn feiern wollte Werder Bremen den immens wichtigen 2:0-Erfolg bei Arminia Bielefeld gar nicht.
Kohfeldt: Klassenerhalt von Werder noch nicht gesichert
„Heute ist kein Tag für Euphorie“, sagte Trainer Florian Kohfeldt, so sei das eben manchmal in der Bundesliga: „Du schaffst einen wichtigen Sieg, aber es ist keine Zeit für Feierei, auch nicht im Kleinen.“ Schließlich geht es schon am Samstag gegen die großen Bayern weiter – und schließlich, das hob Kohfeldt deutlich hervor, „ist es noch nicht vorbei, wir brauchen schon noch Punkte für den Klassenerhalt“. Was zweifellos richtig ist. Und dennoch hat der Sieg auf der Alm die Bremer Ausgangslage derart verbessert, dass die gröbsten sportlichen Existenzängste erstmal weg sind, weshalb Kohfeldt den Fokus nun verstärkt auf schöneren Fußball richten möchte.
- Taktik-Analyse: Passive Taktik bringt Werder Bremen wichtigen Dreier
„Jetzt geht es darum, in der nächsten Zeit, insbesondere nach der Länderspielpause, besseren Fußball zu spielen. Das wollen wir probieren. Ob es gelingt, kann ich nicht versprechen, denn so etwas geht nicht auf Knopfdruck, aber ich kann versprechen, dass wir daran arbeiten werden“, sagte der Trainer, für den die defensive Ausrichtung, mit der er seine Mannschaft in dieser Saison durch die Liga schickt, vor allem eines ist: ein Mittel zum Zweck. Das nun den gewünschten Erfolg gebracht hat. Natürlich lassen sich Bremer Spielstil, mangelnde Bremer Kreativität und Torraumszenen prima kritisieren – beim Blick auf die nackten Zahlen wird das Argumentieren in diese Richtung aber zunehmend schwerer. Ein Beispiel?
In Bielefeld schoss der Gegner deutlich öfter aufs Tor (26:5), hatte die bessere Passquote (77 Prozent gegenüber 62 Prozent) und gewann das Eckenverhältnis mit 9:0, was gutes Futter für die Kritiker lieferte und Kohfeldts Satz „Bielefeld war einen Tick die bessere Mannschaft“ wie die Untertreibung des Abends wirken ließ. Demgegenüber stehen aber diese Zahlen: Mit nun zwölf Punkten ist Werder Fünfter (!) in der Rückrundentabelle, stellt mit erst 33 Gegentreffern die fünftbeste (!) Defensive der Liga und hat von den vergangenen sieben Spielen nur eines (!) verloren. „Dass wir bei der Ausgangslage, mit der wir in die Saison gegangen sind, jetzt zehn Spieltage vor Schluss 30 Punkte haben. . .“, sagte Kohfeldt fast etwas ungläubig, „da muss ich mir auch einfach mal erlauben dürfen, die Mannschaft für den gesamten Weg bis hierher zu loben. Das ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit.“
Vor allem, wie sein Team die beiden „Druckspiele“ in Köln (1:1) und Bielefeld überstanden hatte, nötigte dem 38-Jährigen Respekt ab. „Als Trainer redet man vorher natürlich nicht gerne darüber, aber ich habe während der Woche schon gemerkt, dass die Anspannung bei der Mannschaft sehr groß war. Wir sind ja nicht blöd und wussten um die Bedeutung der letzten beiden Spiele“, erklärte Kohfeldt, der sich übrigens keine Sorgen darum macht, dass der Spannungsabfall nun zu groß werden könnte. „Die Jungs wissen, dass wir uns keine Atempause gönnen können“, sagte er – und erinnerte mahnend an die Saison 2015/2016, als der VfB Stuttgart im Abstiegskampf zwischenzeitlich ebenfalls als längst gerettet galt – und am Ende als Vorletzter abstieg.
„In so eine Situation wollen wir uns auf keinen Fall bringen“, betonte Kohfeldt. Da verzichtet der Trainer nach einem 2:0-Erfolg in Bielefeld auch gerne Mal aufs Siegerbier und begnügt sich mit einer Cola, gereicht aus dem Laderaum des Busses. Schmeckt ja auch. dco
Jetzt sichern: Wir schenken Ihnen 1 Monat WK+!